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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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entdeckte er das alte Neonschild mit der sinnfällig einfachen Abkürzung »King Bros Drugs«. Er hastete über den Bürgersteig und brachte sich im Eingang des Ladens in Sicherheit.
    Es war ein Geschäft, das von allem etwas auf Lager hatte, und der erste Kauf, den Dill tätigte, war ein Badehandtuch. Er benutzte es, um sich trockenzureiben, während er die Regale entlangschlenderte und nach einem kleinen Recorder Ausschau hielt. Eingeklemmt zwischen Mr.-Coffee-Packungen und mehreren Sätzen mit verchromten Schraubenschlüsseln, entdeckte er schließlich einen Sony-Super-Walkman. Dill nahm das Gerät mit hinüber zur Ladentheke. Ein Mann von etwa sechzig Jahren stand hinter der Registrierkasse. Dill dachte, er könnte sehr gut einer der King-Brüder sein, doch war er sich dessen nicht ganz sicher und führte sein schwächer werdendes Gedächtnis auf seine zunehmende Senilität zurück.
    Der Mann nahm das Sony-Gerät, schaute den Preis nach, nickte beifällig und sagte: »Diese Japaner sind unschlagbar«, während Dill ihm eine Hundertdollarnote hinüberreichte.
    Der Mann steckte den Walkman in einen Beutel und schob ihn zusammen mit neunundneunzig Cents Wechselgeld über den Tresen. »Ich habe ihn in einen Eiskrembeutel gesteckt«, sagte er. »Das hält den Regen ab.«
    »Danke«, sagte Dill. »Haben Sie hier ein Münztelefon? Ich muß mir ein Taxi rufen.«
    »Sie können ja versuchen, eins zu rufen, aber es wird nie und nimmer kommen. Nicht an einem Abend wie diesem.«
    »Dann rufe ich jemand anderen an«, sagte Dill.
    »Das Telefon ist hinten«, sagte der Mann und nickte zum anderen Ende des Ladens hinüber. Er starrte Dill eine ganze Weile aufmerksam ins Gesicht. »Sagen Sie, sind Sie nicht früher oft hierhergekommen, als Sie noch ein Junge waren – Himmel, das müssen jetzt fünfundzwanzig, dreißig Jahre her sein –, Sie und Ihr Kumpel, der damals ein bißchen pummelig war?«
    »Ist er noch immer«, sagte Dill.
    »Ich kann mich an Ihre Nase erinnern«, sagte der Mann. »In letzter Zeit habe ich Sie allerdings nicht mehr gesehen. Was haben Sie gemacht? Sind Sie hier aus der Gegend abgehauen?«
    »Ich war ’ne Zeitlang im Norden und Osten«, sagte Dill.
    Der Mann nickte. »Ja, ja, eine Menge Leute haben sich in diese Richtung abgesetzt.«
    Dill steckte einen Vierteldollar in den Münzschlitz und rief Anna Maude Singe in ihrem Büro an. Sie nahm beim zweiten Läuten ab. Er sagte ihr, wo er hängengeblieben war, und sie versprach, daß sie kommen und ihn abholen würde. Den zweiten Anruf machte Dill bei Jake Spivey.
    Nach Spiveys kurzem »Hallo« sagte Dill: »Die Sache läuft.«
    »Also wird Clyde kommen?«
    »Er meinte, er wollte sich’s überlegen.«
    »Das bedeutet, daß er dasein wird. Wer sonst noch?«
    »Nur noch ich«, sagte Dill. »Komm lieber schon um neun Uhr dreißig als erst um zehn.«
    »Also, das wird ja eine interessante Nacht werden«, sagte Spivey und legte auf.
    Dill ging zur Straßenseite des Drugstores und stieg auf einen Hocker neben der Sodafontäne. Er fragte sich, ob sie das noch immer den Sodastrahl nannten. Wie immer sie es nennen mochten, Dill jedenfalls bestellte sich eine Tasse Kaffee bei dem Mann hinter dem Tresen. Während er wartete, überprüfte er das Sony-Gerät, um nachzusehen, ob Batterien drin waren. Das Batteriefach war leer, also kaufte er welche, setzte sie ein, verband den Stecker der Kopfhörer mit der richtigen Buchse, legte die Kassette ein, drückte den Hörknopf ans Ohr und drückte die Play-Taste nieder.
    Die erste Stimme, die er hörte, sagte laut: »Neunundsechzig ist ganz mächtig, Kontrolle. Kontrolle. Zehn, neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, und jetzt wird gezündet. Kontrolle … Kontrolle … Kontrolle und Scheiße, Dill.« Es war die Stimme des toten Harold Snow, die sehr sehr lebendig klang. Danach war es kurze Zeit still. Dann hörte Dill Tim Dolans eigene Stimme:
    »Willst du nicht deine Jacke ablegen?« und seine eigene Antwort: »Mir ist nicht so warm.« Darauf folgte Harleys Stimme, die sagte: »Nur ihr drei und sonst niemand?« und darauf wieder Dill. »Nur wir drei.« Danke, Harold, dachte Dill, drückte die Stopptaste und ließ das Band dann schnell vorlaufen.
    Mit einigem Aufwand an Vor- und Zurückspulen fand Dill dann bald die Stelle auf dem Band, auf die es ihm ankam – die, wo Senator Ramirez und Tim Dolan sich miteinander berieten, während Dill Clyde Brattle nach unten gebracht hatte. Hinterher konnte sich Dill nie

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