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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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darüber nachgedacht, Pick, und es ist nicht gerade verdammt viel. Was ich habe, könnte Clyde fünfundzwanzig Jahre einbringen, aber Scheiße, was sind schon fünfundzwanzig Jahre, wenn man sich hundert Jahren gegenübersieht?«
    Dill nahm den King-Brothers-Eiskrembeutel vom Deckel des alten Plattenspielers und reichte ihn Spivey, der ihn fragte: »Was ist das denn?« Sein Tonfall wie seine ganze Miene wirkten mißtrauisch.
    »Reinstes Schokoladenfondant.«
    Spivey starrte Dill einige Sekunden an und öffnete den Beutel dann so vorsichtig, als enthielte er eine Bombe oder eine Schlange. Er zog den kleinen Sony-Recorder heraus. »Sony Fondant war schon immer meine Spezialität.« Er schaute wieder zu Dill hoch. »Soll ich das jetzt gleich abspielen?«
    »Ja, genau.«
    Spivey blickte kurz auf die Bedienungselemente, stellte den Recorder auf den Couchtisch und drückte den Startknopf. Diesmal kam der Ton von dem kleinen Zweieinhalb-Zentimeter-Lautsprecher des Apparats. Die Stimmen waren klar, aber nur schwach zu hören. Dill beobachtet Spivey, während er zuhörte. Und Spivey hörte gebannt und mit voller Konzentration zu, stellte lediglich die zwei Ein-Wort-Fragen »Ramirez?« und »Dolan?«, als die Stimmen des Senators und des Beraters in Angelegenheiten der Minderheiten zum ersten Mal hörbar wurden.
    Er zeigte keinerlei Überraschung, stellte Dill fest. Keine Überraschung, keine Begeisterung, keine Anerkennung.
    Da war nichts als der neugierige, ausdruckslose und gleichmütige Blick, der sich einstellt, wenn der Verstand sich absolut auf etwas konzentriert.
    Doch als das Band abgespielt war, erschien das Lächeln – das Spivey-Lächeln: schurkenhaft und fröhlich, voll Bosheit und Spott. Das Lächeln eines Ganoven, dachte Dill.
    Das strahlende Lächeln noch immer im Gesicht, nur daß sich diesmal noch ein Ausdruck leichter Versonnenheit darauf abzeichnete, sagte Spivey: »Du würdest mir dieses kleine Band wohl nicht verkaufen, Pick, wie?«
    »Könnte ich schon.«
    »Wieviel willst du dafür«
    »Wieviel würdest du denn dafür zahlen, Jake?«
    »So ziemlich jeden Dollar, den ich habe – und Daffy samt Tisch und Bett noch als Zugabe.«
    »Mit diesem Band«, sagte Dill, »bliebe dir auch der Knast erspart.«
    »Du weißt ja gar nicht, was dieses Band wirklich wert ist, Pick, oder?«
    »Was denn?«
    »Nun, das ist die höchste Dornenhecke, der dickste Schutzwall, den du dir wünschen kannst. Scheiße, mit dem Ding in Händen müßte ich mir überhaupt keine Gedanken darüber machen, ob ich in den Bau gehen muß oder nicht.« Wieder zeigte er sein Lächeln. »Na komm schon, Pick, wieviel verlangst du wirklich dafür?«
    »Mein allerletztes, endgültiges Angebot ohne Wenn und Aber?«
    »Sag nur wieviel, und ich zahle.«
    Dill spürte, wie die Spannung in ihm wuchs. Sie begann oben in seinen Schultern, wanderte seinen Hals hinauf bis zu seinem verkrampften Mund. Seine Lippen fühlten sich starr und spröde an; sein Mund wurde ganz trocken. Nun mach schon, redete er sich zu. Spuck’s aus, und falls dir die Spucke ausgegangen ist, schreib es einfach auf.
    »Was ich will, Jake«, sagte Dill langsam, selbst davon überrascht, wie ruhig und vernünftig er sich anhörte.
    »Was ich will, ist die Person, die Felicity umgebracht hat.«
    Spiveys Lächeln schmolz dahin. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Es war eine Grimasse des Bedauerns. Spivey wandte seinen Kopf nach links und starrte auf den Parrish-Druck. Sein Blick blieb eine ganze Weile daran hängen, dann ließ er ihn sinken, sah den Recorder an und kaute drei- oder viermal heftig an seiner Unterlippe. Schließlich schaute er wieder zu Dill hoch. Die Grimasse war wie weggewischt. Das Lächeln war wieder da, und in seine Augen trat ein Glanz, den sich Dill als Treuherzigkeit, untermischt mit List, deutete.
    »Also was ist?« sagte Dill.
    »Kein Problem«, erwiderte Jake Spivey.

37
    Jake Spivey, der jetzt fast überschäumend heiter wirkte, entschied sich nun doch für einen Drink. Dill ging in die Küche und stöberte herum, bis er in Anna Maude Singes begrenzten Schnapsvorräten etwas fand. Er goß zwei Wodka on the Rocks ein und trug sie hinüber ins Wohnzimmer. Eins der Gläser reichte er Spivey, der sitzengeblieben war, und sagte: »Also, laß hören.«
    Spivey nahm einen tiefen Schluck von seinem Drink, wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab, schüttelte den Kopf und sagte, unbewegt vor sich hin lächelnd:
    »Du setzt dich jetzt einfach hin und

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