Schwaben-Hass
Gemeinwohls zu handeln.«
Die Sekretärin platzte mitten in die Ausführungen des Ministers, bat Braig ans Telefon. Der Kommissar entschuldigte sich, folgte ihr hinaus.
»Tut mir Leid, dass ich euer Gespräch unterbreche. Es ging nicht anders.« Daniel Schiek war noch beim BKA in Wiesbaden.
»Du hast Neuigkeiten?«, fragte Braig, wies darauf hin, dass er sein Handy wegen der Diskussion mit dem Minister ausgeschaltet habe.
»Um es kurz zu machen: Wir haben die Fotos jetzt der gründlichsten Analyse unterzogen, die heute technisch realisierbar ist. Die Apparaturen, über die das BKA verfügt, lassen uns in Stuttgart vor Neid erblassen. Dagegen leben wir in der Steinzeit. Diese Geräte besitzt bis jetzt angeblich nur noch das FBI. Das Ergebnis ist eindeutig.«
»Ja?«, fragte Braig.
»Sie sind gefälscht. Ohne jeden Zweifel. Der Kopf des Mannes wurde vertauscht. Zu unserer Ehrenrettung muss ich sagen: Die Arbeit von absoluten Profis. Wir im LKA konnten das nicht erkennen. Ich will dir die Einzelheiten nicht genau erklären, nur so viel: Die Anzahl der Bildpunkte, der so genannten Pixel, ist auf allen Elementen der Bilder fast identisch. Das schaffst Du mit einer Fälschung eigentlich nicht. Die Manipulation haben wir nur durch eine äußerst geringfügige, selbst unter dem Spezialmikroskop kaum bemerkbare Änderung der Farbnuance gemerkt. Eine der perfektesten Fälschungen, die mir bisher unterkam.«
»Ihr seid euch absolut sicher?«
»Hundertprozent. Es gibt keine Zweifel.«
Die Nachricht aus dem Bundeskriminalamt ließ den Minister sichtbar aufatmen. Seine Erleichterung war nicht zu übersehen.
»Ich bin kein guter Schauspieler, wie?«, fragte er, die Beine weit von sich gestreckt.
»Im Moment sieht es nicht danach aus, nein«, antwortete Braig, »aber das scheint mir heute für einen Politiker mit das wertvollste Kompliment. Und damit sind Sie in dieser Regierung leider weitgehend allein.«
»Glauben Sie, es gibt eine Chance, die Fälscher zu identifizieren?«
Hofmann holte tief Luft, fuhr sich mit der Rechten über die Stirn. »Wir werden alles tun, was möglich ist. Aber erwarten Sie, bitte, nicht zu viel. Wer solche Profis aufbieten kann, sitzt weit oben. Ich fürchte, Sie werden in einflussreichen Kreisen in diesem Land als störend empfunden. Und wir wissen ja nicht einmal, ob die Aggressoren innerhalb oder außerhalb Ihrer eigenen Partei sitzen.«
27. Kapitel
Die Titelseite der tageszeitung präsentierte an diesem Samstag nur ein einziges Thema. Michaela König hatte ihre Wohnung kurz nach zehn Uhr verlassen, um sich das Blatt in der Nähe des Feuersees zu besorgen. Vorsichtig nach allen Seiten spähend, war sie auf die Straße getreten, hatte die Hasenbergsteige zuerst aufwärts, dann in der Gegenrichtung durchforscht, war schließlich die steilen Stufen der Rötestaffel in den Talkessel hinuntergeeilt.
Sie hatte von Hunden geträumt, großen, gefährlichen Tieren, die sich mehrfach in der Nacht in Bewegung gesetzt und auf sie zugerannt waren. Ganze Rudel wilder, zähnefletschender Bestien hatten sie verfolgt, durch fremde unbekannte Straßen gejagt, in nervtötendem Stakkato ihre Aggressionen aus dem Leib gebellt. Michaela König zitterte jetzt noch, wenn sie daran dachte. Wohin sie auch gesprungen war, die wilden Köter hatten sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Über Stunden hinweg war sie von furchterregenden Albträumen geplagt worden.
Sie hielt die Zeitung in Händen, schrak zusammen. Links, über die gesamte obere Hälfte des Blattes hinweg das Bild des Mörders, verblüffend echt, nach ihren Angaben gezeichnet. Die breiten Koteletten, die markante Nase, der drohend-finstere Blick. Er war wirklich außergewöhnlich gut getroffen. Ob er sich jetzt noch offen auf die Straße wagte?
Rechts das Phantombild eines Fremden, mit Bart zwar, aber sonst leider völlig daneben, in keiner Beziehung als der zu erkennen, der seit Tagen hinter ihr her war. Er würde frohlocken, wenn er die Grimasse in der Zeitung entdeckte. Sie musste wieder Kontakt mit Berlin aufnehmen, die Redakteure darüber informieren.
Die Zeilen unter den Bildern schilderten die neueste Entwicklung der Ereignisse. Waltraud Gänsmantel war in ihrem Stall in Tübingen-Unterjesingen mit mehreren Messerstichen getötet worden, etwa 15 Minuten bevor – so der Befund des untersuchenden Arztes, – der Redakteur Klaus Weidmann auf dem Bauernhof aufgetaucht war. Nur das Zeugnis des Taxifahrers hatte den Journalisten vor einer Verhaftung
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