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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Ministers.«
    Der Politiker griff nach seinem Glas, trank langsam, in kleinen Schlucken, stellte das Wasser zurück. »Ich fürchte, ich benötige etwas Zeit, um das zu begreifen.«
    Er lehnte sich in seinem Sitz zurück, richtete die Augen auf einen fernen, imaginären Punkt irgendwo im Raum. Seine Haut war bleich, sein Gesicht schien innerhalb weniger Minuten um Jahre gealtert.
    Braig kannte diesen Anblick aus Erfahrung. Die Körperhaltung des Mannes sprach Bände. Es war die typische Pose eines Menschen, der begreift, dass er der Last der Anschuldigungen nicht länger gewachsen ist und deshalb seine Verstrickung in die geschehenen Verbrechen offenlegen muss. Der Moment vor dem Ende, die Einsicht in die ausweglose Situation.
    Braig trank von seinem Mineralwasser, wartete auf das Geständnis des Politikers.

25. Kapitel
    Die Adresse der Frau zu finden, war einfach. Klaus Weidmann, der Süddeutschland-Korrespondent der tageszeitung, überprüfte ihren Namen im örtlichen Telefonbuch, suchte die Straße dann auf dem Tübinger Stadtplan. Sie lag am Rand von Unterjesingen.
    Er nahm ein Taxi vom Tübinger Hauptbahnhof, informierte die Redaktion in Berlin mit seinem Handy. Mehrfach hatten sie ihn das Band mit der Stimme der Frau hören lassen, in der Hoffnung, er könne sie aufspüren und zu einer fairen Übergabe der Diskette überreden.
    »Sei vorsichtig«, bat Klaudia Kunst, »vielleicht steckt die Frau in finanziellen Schwierigkeiten und reagiert unberechenbar. Oder sie ist Mitglied einer kriminellen Gang. Die rechnet garantiert nicht damit, dass wir sie aufspüren. Du traust es Dir allein zu?«
    Natürlich war er sich der Risiken bewusst, die der persönliche Kontakt mit einer Erpresserin beinhaltete. Die Gefahr, dass diese Gänsmantel ausrastete und die Kontrolle über sich verlor, wenn sie sich plötzlich entlarvt sah, war nicht von der Hand zu weisen. Woher sollte sie auch ahnen, dass sie ihr so schnell auf die Schliche gekommen waren? Noch gefährlicher war der Besuch, wenn sie als Mitglied einer größeren Bande arbeitete. In diesem Fall schien es leichtsinnig, auf eigene Faust zu handeln, ohne die Polizei zu informieren.
    Weidmann war dennoch entschlossen, die Frau sofort aufzusuchen, ohne Hilfe. Der Tod von Harry Nuhr und Verena Litsche sollte verhindern, dass die tageszeitung kritische Recherchen veröffentlichte, die die Verwicklung einiger mächtiger Personen in einen Krieg offenzulegen drohten. Er wollte so schnell als möglich an die Arbeit Litsches herankommen, ohne Behinderung durch bürokratische Polizeiverordnungen. So gefährlich dies sein mochte, Weidmann vertraute auf seine langjährige journalistische Erfahrung.
    »Ich nehme den Taxifahrer mit«, erklärte er am Telefon, »er wird vor dem Haus warten.«
    Beim Gänsmantel-Hof handelte es sich um eine riesige Anlage: Ein großes Wohnhaus, dessen Fachwerkstruktur nur an einigen Stellen zu erkennen war, ein noch gewaltigerer Stall und eine hohe, breite Scheune platzierten sich rings um einen rechteckigen Hof, der in der vorderen Hälfte mit Asphalt, im hinteren Teil mit alten Quadersteinen ausgelegt war. Obwohl der gesamte Komplex weitgehend im Dunkeln lag, vom Licht einer Straßenlaterne nur notdürftig erleuchtet, konnte Weidmann deutlich erkennen, dass der Putz von den Fassaden der Gebäude blätterte und auf den weitläufigen Dächern viele Ziegel fehlten. Dachrinnen baumelten, aus ihrer Verankerung gerissen, an den Wänden, Pilzmatten und Schimmel wucherten an den Fundamenten. Die Türen waren alle geschlossen, nur ein paar Fenster im oberen Stock des Wohnhauses standen offen.
    In den freien Räumen zwischen Scheune und Stall sowie Stall und Haus verrotteten alte landwirtschaftliche Geräte, denen Rost und Spinnweben schon von weitem anzusehen waren. Vorne, zur Straße hin, öffnete sich der Hof fast in seiner ganzen Breite, nur ein baufälliger, halb verfallener Schuppen und mehrere knorrige Äste eines verkrüppelt gewachsenen Baumes bildeten eine Art Eingangstor.
    Trotz der Dunkelheit fiel es Weidmann schon beim Eintreten in den Hof auf, dass es mit dem Gänsmantel-Besitz nicht zum Besten stand: Verrostete Fahrräder und Werkzeugteile, vergammelte alte Kisten, modrige Kartons verteilten sich über das gesamte Areal. Er ließ den Taxifahrer warten, lief über den asphaltierten Teil des Hofes zur Haustür, drückte auf die Klingel. Sie funktionierte nicht.
    Weidmann trat einige Schritte vom Haus zurück, blickte nach oben zu den teilweise

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