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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Sie, die scheinbar überall hinter ihr her waren?
    Sie lief leise ins Schlafzimmer, zog die Decke weg, nahm sie mit, legte sie in der Diele auf den Boden, direkt vor die Tür. Sie würde sie hören, wenn sie kämen, würde rechtzeitig reagieren, über den Balkon klettern, verschwinden. Sie nahm den Rucksack, stellte ihn neben sich, legte sich auf die Decke, wickelte sich darin ein.
    Mitten in der Nacht kam sie wieder zu sich. Sie hatte geträumt, sinnlos und wirr, fühlte sich ausgepowert, kraftlos und elend. Müde sah sie sich um, wusste sofort, wo sie war. Der Geruch der Wohnung, die dunklen Umrisse der Tür.
    Sie blickte auf die Uhr. Fünf vor Fünf. Sie hatte viel zu kurz oder viel zu lange hier verbracht, mehr als sechs Stunden geschlafen. Bis zum Hellwerden blieb ihr kaum mehr Zeit.
    Michaela König wickelte sich vorsichtig aus der Decke, trug sie ins Schlafzimmer, betrachtete sich im Spiegel. Ihre Augen waren kaum zu erkennen, schmale, dünne Schlitze, das Gesicht unförmig, wie ein zerdrückter Brei, die Haare verklebt. Entschlossen warf sie ihre Kleidung von sich, ging ins Bad, duschte, wusch ihre Haare. Den Fön einzuschalten, wagte sie nicht, der Lärm des fließenden Wassers war angesichts der frühen Stunde schon unerträglich laut. Sie trocknete sich ab, schüttelte die Feuchtigkeit aus den Haaren, nahm frische Wäsche, trank Wasser direkt aus der Leitung.
    Zwanzig Minuten nach Fünf verließ sie auf Zehenspitzen die Wohnung. Sie stieg vorsichtig die knarrenden Holzstufen hinunter, schlich sich an der Wohnung des Musikers vorbei. Als sie aus dem Fenster neben seiner Eingangstür in die Umgebung blickte, sah sie den Bärtigen aus dem Licht einer Straßenlampe in die Dunkelheit der Hasenbergsteige abtauchen.
    Erstarrt blieb sie stehen. Er war es, sie hatte es genau gesehen. Das war kein Traum, kein Spuk, keine Einbildung. Der Bärtige. Wo kam der her?
    Die Antwort war klar. Sie hatten ihren Trick mit Heilbronn durchschaut. Vielleicht waren sie gestern Abend noch dort, hatten die Stadt, den Bahnhof, die Umgebung der Telefonzelle gefilzt. Spätestens nach ihrem Misserfolg hatten sie dann das getan, was nach ihrer Überlegung wohl doch noch auf ihre Spur führen konnte: Sie dort zu suchen, wo sie sie gestern Morgen nach der Flucht aus dem Stuttgarter Zentrum hatten abtauchen sehen: Am Anfang der Hasenbergsteige. Sie wussten nicht das Haus, die Wohnung, nur die ungefähre Lage. Die Hasenbergsteige oberhalb der Stelle, von der die Rötestaffel abwärts führte.
    Michaela König spürte, wie ihr Herz jagte, der Schweiß ausbrach, ihre Kleidung jetzt schon auf der Haut klebte. Ich hätte mir die Dusche sparen können.
    Was jetzt?
    Sie versuchte, sich zu beruhigen, zwang sich, ernsthaft, ohne Panik, über einen Ausweg nachzudenken. Sie starrte durchs Fenster. Der Bärtige war nach links verschwunden, sah sich dort wohl nach verdächtigen Hinweisen um. Ob er allein unterwegs war?
    Michaela König riss sich aus ihren Gedanken, zwang sich, eine Entscheidung zu treffen. Sie musste das Haus verlassen, so schnell wie möglich. In der Dunkelheit hatten sie kaum eine Chance, sie aufzuspüren.
    Sie stieg die Stufen langsam hinab, wartete unten, lauschte. Alles schien ruhig. Sie öffnete die Tür einen winzigen Spalt, starrte nach draußen, musterte den Garten, die Umgebung, das Eingangstor. Dies war der einzige, wirklich gefährliche Moment: Wer von draußen durch die Gitter der Pforte die Haustür beobachtete, hatte jeden, der kam und ging, für den Augenblick weniger Sekunden voll im Blick. Der schwache Lichtschein einer Straßenlampe der Hasenbergsteige reichte bis hierher, ließ jede Chance auf völlige Anonymität vergessen.
    Michaela König besann sich nicht länger, stieß die Tür vollends auf, sprang aus dem Haus direkt auf den Abhang zu. Sie kletterte über die Kante, sprang zwischen die kahlen Rebstöcke, verschwand im Schatten der Obstbäume.
    Zehn Minuten später hatte sie über die Taubenstaffel das Zentrum Heslachs erreicht. Sie war über den Zaun des schlossartigen Anwesens in der Hohentwielstraße geklettert, hatte sich dann Stufe um Stufe ins Tal hinabgekämpft. Unten, auf dem letzten Absatz, blieb sie stehen, sah auf die Uhr. Zwanzig vor Sechs. Sie stieg vorsichtig über die Glasscherben, die die trinkende Meute in der Nacht hier hinterlassen hatte, betrat eine der Telefonzellen, prüfte, ob sie inzwischen repariert war. Überrascht stellte sie fest, dass der Apparat funktionierte, wählte die Nummer,

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