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Schwaben-Hass

Schwaben-Hass

Titel: Schwaben-Hass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Stunden geschlafen hatte, war sich dieser Tatsache nicht so sicher, als er die Frauen im Beisein einer Dolmetscherin am Sonntagmorgen in Augenschein nahm. Ihr Deutsch bestand in allen Fällen aus zusammenhanglosen Wortfetzen, unverständlichen Flüchen, banalen Ausdrücken. Den Frauen irgendeine Information über ihre Herkunft, ihre Behandlung durch ihre »Besitzer« oder gar eine etwaige Beziehung zu Hans Breidle zu entlocken, war unmöglich.
    Nach mehreren Stunden vergeblicher Bemühungen ließ Braig sie deshalb wieder in den Gewahrsam der zuständigen Kollegen bringen. Er behielt sich eine direkte Gegenüberstellung der Prostituierten mit Frau Eisemann vor, verschob diese aber auf einen der folgenden Werktage, weil er viel zu müde war und zudem seine Mutter in Mannheim besuchen wollte, die, wie er telefonisch von Frau Dr. Ohlrogge erfahren hatte, inzwischen wieder ansprechbar war.

33. Kapitel
    Die St. Dionys-Kirche ragte mit ihren beiden unterschiedlichen, in luftiger Höhe mit einer geschlossenen Brücke verbundenen Türmen mitten im Esslinger Zentrum in die Höhe. Eingebettet in die anmutige Szenerie des von prächtigen bunten Fachwerkhäusern umringten Marktplatzes und der oberhalb auf dem von Weinreben geprägten Hügel gelegenen Burg und schmalen gepflasterten Gassen, ging von dem Gotteshaus majestätische Ruhe aus.
    Michaela König sah den Mann schon von weitem an der geöffneten Eingangstür stehen. Er trug eine dunkelgraue Hose und ein warmes schwarzes Jackett, aus dessen rechter Tasche der rote Titel der tageszeitung ragte. Als sie näher kam, merkte sie, dass er sich mit einer älteren Dame unterhielt. Sie hörte Klagen von immer weniger Gottesdienstbesuchern und leeren Kirchen, erkannte seine Stimme. Es war der Mann vom Telefon, auch wenn er sich jetzt bedeutend ausgeschlafener anhörte.
    Sie blieb vor ihm stehen, sah, wie er sie musterte.
    »Frau König?«
    Sie nickte, betrachtete ihn ebenfalls. Er schien Mitte Vierzig, war kaum größer als sie, hatte den Ansatz zu einem kleinen Bauch.
    Der Mann verabschiedete sich von der Dame, zog die Zeitung aus seiner Jackentasche, blätterte sie auf. Sie sah sein Gesicht auf dem Foto, las die Bildunterschrift »Klaus Weidmann, der tageszeitung- Korrespondent für Süddeutschland«, nickte.
    »Eine ältere Ausgabe. Sie vertrauen mir?«
    »Ich habe Sie an der Stimme erkannt.«
    »Sehr gut. Deshalb habe ich mich mit der Dame unterhalten.«
    »Und jetzt?«
    Klaus Weidmann trat zur Seite, ließ ein junges Paar in die Kirche. »Wollen Sie in den Gottesdienst?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich liebe zwar alte Kirchen und ihre Atmosphäre, aber nicht jetzt. Gehen wir irgendwohin, wo uns niemand sieht.«
    »Damit habe ich gerechnet.« Er zeigte Richtung Bahnhof.
    »Ich habe mich nach einer Pension erkundigt, wo wir schon heute Vormittag unterkommen können. Wenn es Ihnen recht ist?«
    Michaela König nickte, war froh, dass der Journalist ihren Wunsch akzeptierte.
    Eine Gruppe junger Teens kam zur Kirche, drückte sich laut scherzend ins Innere.
    »Konfirmanden, wie?«
    Sie reagierte nicht auf seine Bemerkung, hoffte nur, dass der Weg zur Pension nicht zu weit war. Ein Auto fuhr vorbei, parkte in der Nähe ein. Langsam versetzte sie jedes Kraftfahrzeug in Panik. Irritiert betrachtete sie die beiden Männer, die ihm entstiegen. Sie waren dunkel gekleidet, machten sich auf den Weg zur Kirche.
    Weidmann bemerkte ihre Nervosität, versuchte, sie zu beruhigen. »Wir haben es gleich. Nur noch ein paar Minuten.«
    Sie verließen den Marktplatz, überquerten den Neckarkanal, folgten der zur verkehrsberuhigten Zone umgebauten Bahnhofstraße.
    »Was ist, wenn sie die Hotels überprüfen?«, fragte sie.
    »Ich melde uns unter falschem Namen an. Hier«, er zog eine Geldbörse aus seiner Tasche, entnahm ihr eine Identitätskarte. »Der Ausweis eines Freundes. Er sieht mir ähnlich, oder?«
    Sie hatte keine Nerven, einen Blick darauf zu werfen, war ganz damit beschäftigt, die Gruppe junger Männer zu mustern, die vor ihnen auf dem Gehweg herumlümmelten.
    Weidmann betrachtete ihr sorgenvolles Gesicht, steckte Ausweis und Geldbörse zurück. »Wir werden es schaffen«, sagte er.
    Drei Minuten später hatten sie die Pension erreicht. Es war ein einfaches, wie sie am Namen erkannte, offenbar von Griechen geführtes Haus.
    »Sind Sie mit einem Doppelzimmer einverstanden?«, hatte er noch gefragt. »Keine Angst, ich schlafe auf dem Boden. Sowieso, wegen meines Rückens. Und schnarchen

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