Schwaben-Rache
Hinweis auf Sabotage oder einen gezielten Anschlag auf den Hubschrauber ergaben. Im Gegenteil: Soweit ich informiert bin, favorisieren unsere Experten wetterbedingte Schwierigkeiten, sprich den Schneesturm, als Auslöser des Absturzes.«
»Das ist doch nur die offizielle Version«, belehrte ihn Gübler, »um die Leute nicht zu beunruhigen. In Wirklichkeit sind sie im Ministerium äußerst besorgt, weil die neuesten Erkenntnisse eindeutig auf Manipulationen an der Steuerung des Hubschraubers hinweisen. Ich sage Ihnen, die Entführung heute Nacht war nur der zweite Schritt nach dem Attentat auf den Minister.«
»Ich kann den Zusammenhang immer noch nicht erkennen.«
Güblers Stirn legte sich in Falten, sein Gesichtsausdruck zeigte seine zunehmend gereizte Stimmung. Braig spürte, dass er die Sache nicht übertreiben durfte.
»Herr Breuninger, der heute Nacht entführt wurde, arbeitet eng mit dem Minister zusammen. Außerdem sind die Herren miteinander befreundet, soweit ich weiß. Und beide, sowohl der Autoclubvorsitzende als auch der Wirtschaftsminister unseres Landes, betreiben wohl nicht gerade eine Politik, die Grünen«, er betonte das letzte Wort in einer Weise, die seine Distanz, ja, seinen Ekel vor dieser politischen Richtung deutlich zum Ausdruck brachte, »genehm ist, wenn ich das so formulieren darf.«
»Das ist in der Tat richtig«, bestätigte Braig. Er kannte die politischen Vorlieben und Abneigungen seines Vorgesetzten zur Genüge, wollte es unbedingt vermeiden, sich auf irgendeine politische Diskussion einzulassen. Er blickte aus dem Fenster auf die Straße, wo die vielen Autos mehr standen als fuhren. Ein einziger Stau durch ganz Bad Cannstatt, wie üblich, bis in die Innenstadt. Jeden Tag dasselbe Bild, trotz ständig neuer Straßen.
Hatten die beiden Ereignisse, wie Gübler spekulierte, wirklich miteinander zu tun? Und waren die Täter, wie es das am Tatort aufgefundene Flugblatt vermuten ließ, in Kreisen zu suchen, die von der Politik der beiden Männer und der Autoflut die Nase voll hatten und mit ihrer Tunnel-Aktion ein Zeichen setzen wollten?
»Was überlegen Sie, Braig?«
Er drehte sich um, sah den Alten an. »Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Sie auf der richtigen Spur sind? Sieht die ganze Sache nicht etwas zu eindeutig aus?«
»Wie meinen Sie das?« Güblers Gesicht zeigte, dass er Braigs Einwand nicht verstand.
»Das Bekennerschreiben. Mag ja sein, dass es auf die Täter zurückgeht. Ob es aber echt ist? Vielleicht soll es uns nur vom wahren Tathintergrund ablenken.« Er griff nach der Akte und las daraus vor: » ›
Wir wollen nicht länger zulassen, dass dem Autoverkehr alle Straßen offenstehen. Früher waren die Städte Zonen menschlicher Kommunikation – heute sind sie zu Ansammlungen von Betonkomplexen und Blechlawinen verkommen. So kann es nicht weitergehen. Wir kämpfen dafür, die alten Zustände wiederherzustellen
.‹ «
»Ja, und?«, brummte Gübler. »Der Text ist mir bekannt, junger Mann!«
Steffen Braig beugte sich leicht vor, legte die Akte zurück. Er war einen Meter neunzig groß, schlank und hatte dunkle, dichte Haare, aus denen an einigen Stellen erste graue Strähnen hervorlugten. Ein dünner Schnurrbart krönte seine Lippen. Sein jugendliches Gesicht ließ nicht erkennen, dass er die dreißig bereits überschritten hatte.
»Das Schreiben klingt durchaus logisch, fast zu logisch. Wenn sie uns damit aber nur auf eine falsche Fährte locken wollen? Vielleicht hatte irgendjemand eine alte Rechnung mit dem Herrn Funktionär zu begleichen, und um uns vom wahren Sachverhalt abzulenken, kam ihm die nette Idee mit dem grünen Terror. Und wir fallen prompt drauf rein. Ich könnte mir vorstellen, dass sich da eine ganze Menge Feindschaften einstellen, bis einer so weit droben ist, glauben Sie nicht?«
Gübler verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Er selbst war das lebendige Beispiel für diesen Hinweis. Ellenbogeneinsätze kombiniert mit den richtigen Beziehungen führten nicht nur steil nach oben, sie ließen auch manche Leiche am Wegesrand zurück. Das Landeskriminalamt wie auch das Ministerium bildeten keine Ausnahme – im Gegenteil. Dass Gübler seinen Posten als Kriminalrat allein durch das richtige Parteibuch und die daraus resultierenden Beziehungen erlangt hatte, war ein offenes Geheimnis.
Warum aber sollten solche Verhältnisse bei dem Autoclub unbekannt sein? Irgendjemand wollte dem Funktionär eins überbraten – aus welchen Gründen auch immer –
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