Schwaben-Sumpf
»Ja, Ihr Jonny«, sagte er, um überhaupt etwas zu sagen, die eintönige Stille zu unterbrechen, die nur von den gelegentlichen Lungenzügen des Wohnungsinhabers und dem anschließenden Ausstoßen des Rauches gestört wurde. »Er übernachtet öfter bei Freunden.«
Knäble nickte. Nach einer halben Minute vielleicht, so lange schien er zu benötigen, die Frage zu verstehen und ihre stille Beantwortung zu bewältigen.
Felsentretter fiel nichts mehr ein, was er noch sagen konnte, er wusste ohnehin alles Wichtige über den Toten, und den Mann hier schien all dies nicht zu interessieren. Weshalb auch, am Schicksal seines Bruders war sowieso nichts mehr zu ändern. Er bat Knäble, ihm einen benutzten Kamm seines Bruders zum DNA-Abgleich auszuhändigen, war froh, die Angelegenheit erledigt zu sehen. Zwar schien zur endgültigen Klärung der Frage, ob der Tote das Auto wirklich ohne zu fragen an sich genommen hatte, eine genauere Untersuchung notwendig, doch hatte er keine Lust, sich länger damit zu beschäftigen. Sollte der Staatsanwalt sich den Kopf darüber zerbrechen, ob hier weitere Nachforschungen betrieben werden mussten oder nicht – er hatte genügend andere Dinge zu tun, als sich um solche Spitzfindigkeiten zu kümmern. Zum Beispiel seine kleine Tochter anzurufen, um ihr zu versichern, dass der Ausflug in die Wilhelma am morgigen Sonntag auf jeden Fall stattfinden würde, gleichgültig wie viele Halunken die Umgebung in den nächsten Stunden unsicher machen sollten.
Er klopfte dem lethargisch an seiner Zigarette saugenden Mann auf die Schulter, verabschiedete sich von ihm, ließ ihn in dem mit Leinwandstars dekorierten Zimmer zurück. »Kopf hoch! Das Leben geht weiter.«
Fürchtegott Knäble starrte ihm mit großen Augen nach.
Felsentretter hatte, mit großen Schritten auf seinen Wagen zusteuernd, das Handy schon in der Hand, als Neundorfs Anruf signalisiert wurde. Leicht gereizt nahm er ihn an. »Gerade wollte ich mit Sophia reden. Morgen gehen wir in die Wilhelma.«
»Schön für dich«, sagte Neundorf, »aber vorher benötige ich deine Hilfe.«
»Was ist passiert?«
»Ein siebzehn Jahre junges Mädchen.«
»Ermordet?«
»Heute Nacht. In Stuttgart an der Sünderstaffel.«
»Verdammte Kacke. Da hätten wir uns beinahe getroffen. Ich war in der Nähe.«
»Weshalb?«
Er stieg in seinen Wagen, setzte sich, berichtete von seinen Besuchen bei Bernhard Noller und Fürchtegott Knäble. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte er dann.
»Ihren Eltern gegenüber behauptete Jessica, sie würde den Abend bei einer Freundin verbringen.«
»Das stimmt aber nicht.«
»Genau. Ich war gerade bei diesem Mädchen. Eine Nicole Buchfink. Sie gestand unter Tränen, dass sie das ihren Eltern gegenüber nur als Ausrede benutzten. In Wirklichkeit waren die beiden die halbe Nacht mit ihrer Clique unterwegs. Zu Hause bei Jessica durfte das nicht bekannt werden. Das hätte Zoff gegeben, meinte Nicole. Mit Jessicas Mutter. Die achtete nach den Angaben des Mädchens sehr auf den Umgang ihrer Tochter.«
»Offensichtlich aber doch nicht genug«, brummte Felsentretter.
»Nein, offensichtlich nicht genug. Von dieser Clique durfte sie nichts wissen, erzählte Nicole. Das hätte sie nie erlaubt.«
»Du hast die Frau informiert?«
»Nein, das hätte keinen Sinn. Ich glaube nicht, dass sie so schnell ansprechbar sein wird. Sie klappte zusammen, als ich mit der Nachricht von Jessicas Tod kam. Das wird eine Weile dauern.«
»Dann geht es jetzt um diese Clique.« Er betonte das Wort. »Wie lange waren sie unterwegs?«
»Das ist genau das Problem. Sie trafen sich abends um sieben an der S-Bahn-Station Stadtmitte. Zuerst gingen alle gemeinsam einen trinken ins California am Schlossplatz. Danach wollten sie ins Kino, konnten sich aber nicht auf einen Film einigen. Deshalb teilten sie sich in zwei Gruppen, Jessica in die eine, Nicole in die andere. Eigentlich wollten sie sich anschließend wieder treffen, das klappte aber nicht. Die Filme liefen unterschiedlich lang, außerdem war draußen zu viel los. Nicole hat Jessica dann nicht mehr gesehen.«
»Das heißt, wir müssen uns auf den Teil der Clique konzentrieren, der im selben Film war wie Jessica.«
»Zwei junge Frauen und zwei Männer«, erklärte Neundorf.
»Du hast ihre Namen und Adressen?«
»Von den beiden Frauen und einem Mann. Vom vierten weiß ich nur den Vornamen: Felix.«
»Sonst nichts? Nachname, Rufnummer, Anschrift?«
»Nein. Könntest du eine der Frauen
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