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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Abend so stinkig war, trennten wir uns dann. Jessica blieb bei denen; Raffaelas neuer Freund gefiel ihr, glaube ich.«
    »Um wie viel Uhr war das? Als Sie sich trennten, meine ich.«
    »Kurz nachdem der Film zu Ende war, ich schätze, so gegen halb elf.«
    »Und Jessica blieb bei dieser Raffaela und deren neuem Freund.«
    »Ja, jedenfalls in dem Moment, als wir uns trennten. Was sie dann unternahmen, weiß ich doch nicht.«
    »Sie sagten, Ihre Freundin Raffaela war den ganzen Abend stinkig. Wie soll ich das verstehen?«
    Ines Wahls Antwort kam überraschend schnell. »Das können Sie nicht verstehen. Dazu müssen Sie Raffaela kennen. Wenn die nicht gut drauf ist, dann gute Nacht.« Sie machte eine abfällige Bewegung mit ihrer Rechten, pfiff leise durch die Lippen. »Dann ist es besser, Raffaela in Ruhe zu lassen. Das geht ein, zwei Tage. In der Zeit ist sie wie ein brodelnder Vulkan, viel zu gefährlich.«
    Neundorf nickte verständnisvoll, hatte genügend launische, mit sich selbst unzufriedene Existenzen kennengelernt. Ines Wahls Beschreibung war deutlich genug. »Gab es einen Anlass, weshalb sie so stinkig war?«, fragte sie.
    Ihr Gegenüber überlegte nicht lange. »Eifersucht«, sagte sie. »Ich kenne Raffaela gut genug, um das zu begreifen. Sie war eifersüchtig auf Jessica, weil ihr Neuer, dieser Felix, auf die abfuhr. Der hatte an dem Abend überhaupt kein Auge mehr für Raffaela, nur für Jessi. Mein Gott, wie die kochte!«
    »Dann gab es richtig Streit zwischen den beiden jungen Frauen?«
    »Streit? Nein.« Ines Wahl schüttelte den Kopf. »Raffaela streitet nicht. Die kocht vor sich hin. Ich sagte es doch, wie ein brodelnder Vulkan. Besser, Sie halten sich die nächsten Tage von ihr fern. Sonst explodiert sie.«

8. Kapitel
    Ein vorsichtig nach draußen spähendes Gesicht lugte für wenige Sekunden verstohlen hinter dem Vorhang vor. Felsentretter sah die leichte Bewegung des Stoffes, erhaschte den Anblick der jungen Frau für den Bruchteil eines Augenblicks.
    Verdammte Kacke, rumorte es in ihm, was bildet die sich nur ein?
    Seit mehreren Minuten stand er jetzt schon an der Eingangstür, läutend und an die Tür klopfend, dazu lauthals um Einlass bittend, seit er die verräterischen Geräusche aus der der Hangneigung wegen halb im Keller, halb im Erdgeschoss ’ gelegenen Wohnung gehört hatte. Er donnerte mit der Faust an die Scheibe, dass das Glas in seiner Fassung ächzte, stürmte erneut zur Haustür, drückte wieder auf die Glocke. »Polizei, verdammt! Wenn Sie jetzt nicht endlich öffnen, trete ich die Tür ein. Ich weiß, dass Sie zu Hause sind!«
    Die junge Frau stand mit vor Wut verzerrter Miene plötzlich vor ihm, maß die bullige Gestalt vor sich mit abschätzigem Blick. »Du bist wohl nicht ganz sauber, du alter Sack!«, schrie sie ihn an. »Du kannst mir eine neue Tür und ein neues Fenster bezahlen.«
    Er hatte schon die Hand gehoben, wollte das freche Weibsstück am Kragen packen, als er mitten in der Bewegung innehielt. Er glaubte, nicht richtig zu sehen. Die Göre war höchstens achtzehn, kaum den Windeln entwachsen. Er starrte auf ihre wuscheligen, in verschiedenen Farbnuancen getönten Haare, die mehrfach gepiercten Lippen, sah dieselbe Verunstaltung an beiden Augenbrauen. Sie trug ein weißes Top und kurze helle Hosen, hatte rosa Strümpfe an den Füßen. Selbst an ihrem Bauchnabel waren zwei Piercings zu erkennen. Was ihn am meisten erschütterte, waren ihre dünnen Gliedmaßen; Arme und Beine kaum mehr als Haut und Knochen, nur Ansätze von Muskeln, nicht einmal der Hauch eines noch so bescheidenen Fettpolsters.
    Verdammte Kacke, was hatten sie mit der angestellt? Farbkleckse statt einer Frisur, golden glänzende Nägel in der Visage, kein Bauch, kaum Busen, stattdessen Knochen, wohin er auch sah. Eine unterernährte spindeldürre Puppe. Was hatten ihre Eltern falsch gemacht, was unterlassen, was versäumt? Und – immer deutlicher der grauenvolle Gedanke: Wird meine Sophia genauso aussehen – in wenigen Jahren?
    Er sah die Wut in den Augen der jungen Person vor sich, wusste nicht, wie er mit ihr umgehen sollte. Er zog seinen Ausweis, streckte ihn ihr entgegen. »Polizei, ich habe ein paar Fragen.«
    Sie streifte die kräftige Gestalt ihres Gegenüber mit einem abschätzigen Blick. »Mit Bullen rede ich kein Wort«, presste sie schließlich hervor.
    Felsentretter lachte laut auf. »Das haben Ihre Durchlaucht jetzt aber dummerweise schon getan«, konterte er, »mehrere Sätze sogar.«

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