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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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am 15.5.2006, in Stuttgart. Uhrzeit 14.05.
    KHK N: Wir können uns in deutscher Sprache unterhalten? N V: Ja klar. I bin in Deutschland gebore ond leb hier. Nur meine Eltern stammet aus Serbien bzw. meine Mutter aus Kroatien.
    KHK N: Prima. Vielleicht könnten Sie sich darum bemühen, hochdeutsch zu sprechen. Die Kollegen, die unser Gespräch zu Papier bringen, werden es Ihnen danken. Kräftiges Räuspern des Oberstaatsanwaltes. OS K: Ich muss meine Kollegin korrigieren: Hier handelt es sich nicht um ein Gespräch, sondern um ein Verhör. KHK N: … das wir in der Form eines Gesprächs führen werden, ja. Darf ich Sie für unser Protokoll um Ihren Namen und Familienstand bitten?
    N V: Ja, mein Name ist Nenad Vukmirovic.
    KHK N: Wo und wann sind Sie geboren?
    N V: Am 25. Dezember 1989 in Reutlingen.
    KHK N: Wirklich? Das ist aber nicht so gut wegen der Geschenke, oder?
    N V: Ach, es geht. Mein Bruder hat am 11. Mai Geburtstag, und da feiern wir dann beide unsere … OS K: Ja, das ist schön für Sie, aber wir haben hier keinen Kaffeekranz, sondern ein Verhör. Ich möchte meine Kollegin doch bitten, zur Sache zu kommen.
    KHK N: Wenn Sie mich nicht ständig unterbrechen würden, könnte ich das tun.
    Lautes, kräftiges Räuspern des Oberstaatsanwaltes. KHK N: Ihr Bruder Dejan ist ebenfalls in Deutschland geboren?
    N V: Ja, in Schwäbisch Gmünd. Wie ich schon sagte, am 11. Mai 1988.
    KHK N: Wie sieht es mit Ihrer beruflichen Situation aus? N V: Also gut, ich gebe zu, wir waren heute nicht in der Schule.
    OS K: Zum wiederholten Mal nicht.
    N V: Ja. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen, aber lassen Sie es mich bitte erklären. Ich nehme an, die Schulleitung hat Sie verständigt und diese Blutabnahme veranlasst, weil die glauben, wir seien auf Drogen. Damit hat es aber nichts zu tun, das werden Sie bei der Blutuntersuchung schon merken. OS K: Sie glauben wohl, Sie können uns hier für blöd verkaufen, wie?
    N V: Das glaube ich nicht, nein. Um es kurz zu sagen: Wir benötigen Geld, deshalb arbeiten wir. Mal zwei, manchmal auch mehr Tage jede Woche. Meistens am Samstag und Sonntag. Nur wenn es sich gar nicht anders einrichten lässt, dann leider eben auch an einem der Tage, an dem wir eigentlich in die Schule müssten.
    OS K: Geld? Wozu brauchen Sie Geld? Also doch Drogen. Nenad Vukmirovic schüttelte energisch seinen Kopf. N V: Nein, damit hat es überhaupt nichts zu tun. KHK N: Sondern?
    N V: Es geht um unseren Vater. Er wurde vor zwei Jahren, als wir in Serbien bei den Großeltern waren, von einem Auto angefahren. KHK N: Und? Was ist mit ihm?
    N V: Er hatte seinen Job hier in Deutschland aufgegeben, weil er zu meinen Großeltern wollte. Die haben dort einen Bauernhof, sind aber beide krank und angeschlagen. Sie schaffen es nicht mehr allein. Deshalb wollte er vorerst bei ihnen bleiben. Und dann passierte das mit dem Auto. KHK N: Er wurde verletzt.
    N V: Verletzt ist gut. Dass er noch lebt, ist ein Wunder. Er kam zwar sofort ins Krankenhaus und wurde auch schon ein paarmal operiert, aber erstens sind die dort anscheinend um Jahre zurück, und außerdem ist es eine Sache des Geldes. KHK N: Die Krankenkasse zahlt nicht alles? N V: Zu dem Zeitpunkt, als es passierte, war er nicht versichert. Hier in Deutschland ausgeschieden und dort noch nicht registriert. Dummheit, ja, aber so ist es nun einmal.
    KHK N: Was ist mit dem Fahrer des Autos? N V: Wir wissen nicht, wer es war. Das Schwein ist abgehauen.
    OS K: Ich denke, wir haben das jetzt zur Genüge erörtert und sollten endlich zum Punkt kommen. KHK N: Sie und Ihr Bruder arbeiten also, um die Operationen Ihres Vaters zahlen zu können.
    N V: Ja, genau. Wir haben das Glück, dass wir bei unserem Onkel, also dem Bruder meiner Mutter, mithelfen können. Er hat eine Baufirma und je nachdem, wie viel Geschäft anfällt … Aber natürlich ist es unsere Mutter, die das meiste dazu aufbringt. Sie hat mehrere Putzstellen, dann arbeitet sie morgens in der Mensa und abends in einer Wirtschaft und trägt noch Zeitungen aus. Ich weiß nicht, wie sie das durchhält. Weil wir immer noch zur Schule gehen, können wir finanziell nicht viel dazu beitragen. Wir wollen aber beide Abi machen, deshalb beschränkt sich unsere Arbeit fast immer aufs Wochenende. Nur manchmal eben … Aber Sie sehen, mit Drogen hat das nichts zu tun. OS K: Kommen wir endlich zur Sache. Wo waren Sie am Freitagabend?
    N V: Freitagabend? Weshalb fragen Sie danach? OS K: Beantworten Sie einfach meine Frage. Nenad

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