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Schwaben-Sumpf

Schwaben-Sumpf

Titel: Schwaben-Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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nicht, welcher Notfall ihn davon abhielt, sich selbst um die Sache zu kümmern, hatte ihm zugesagt, schon um die Gedanken an den Mord im Hallschlag zu verdrängen, war nach Schwäbisch Gmünd gefahren. Was für ein Kontrast!
    »Aber jetzt trinket Se doch mol, Fräulein, nehmet Se en kräftige Zug!« Hermann Currle deutete auf das Glas mit der leicht säuerlich riechenden Flüssigkeit, die er ihr vor wenigen Minuten ausgeschenkt hatte, riss sie aus ihrer trübsinnigen Stimmung.
    Die junge Kommissarin schaute zu dem Mann auf, nahm das Glas, trank in kleinen Schlucken. Der Apfelmost, so biologisch rein und frei von künstlichen Zusätzen aller Art er auch sein mochte, war gewöhnungsbedürftig. Zu herb sein Geschmack, zu säuerlich das Aroma.
    »I han jetzt alles versucht«, hatte Currle mehrfach beteuert, »Sie müssets mir glaube, i han wirklich alles versucht, aber so sehr i mi astreng, i ka nix sage, gar nix.« Er hatte sie aus großen, um Verzeihung heischenden Augen angestarrt, unablässig darum bemüht, sein vermeintliches Versagen zu entschuldigen.
    Stephanie Riedinger war es nicht leicht gefallen, ihn zu trösten. »Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Niemand hat erwartet, dass Sie den ganzen Tag am Fenster stehen und auf die Straße starren, nur um genau mitzubekommen, was draußen vor sich geht.«
    Hermann Currle wohnte etwa zwanzig Meter von der Stelle entfernt, an der das Tatfahrzeug nach der Aussage seines Besitzers gestohlen worden war. »I han net ufpasst«, hatte er gleich zu Beginn ihres Besuches erklärt, »ausgrechnet geschtern Abend han i net ufpasst, was drauße los isch.«
    Obwohl Sie das sonst immer tun, hatte sie bei sich gedacht, die Vermutung aber nicht laut geäußert, weil ihr die darin enthaltene Kritik unangebracht erschien.
    Dreizehn verschiedene Anwohner der Klarenbergstraße hatte sie in den letzten beiden Stunden auf ihre Beobachtungen am gestrigen Abend hin befragt, dreizehn Mal die gleiche enttäuschende Antwort erhalten, zu dieser Zeit weder einen fremden Menschen noch ein unbekanntes Auto wahrgenommen zu haben. Das Glück schien dem Täter hold.
    »Vo eigene Äpfel ond Bira«, erklärte Currle, »trinket Se, so was Guts kriaget Se net so schnell wieder.«
    Die Gastfreundschaft der Bewohner der Klarenbergstraße schien alle Grenzen zu sprengen. Ein frisch gebackener Hefekranz, selbst gebrannter Schnaps und jetzt der Most aus den Früchten der eigenen, der Stadt vorgelagerten Obstwiesen – die Liste ließ nichts zu wünschen übrig, bis auf einen, wenn auch noch so kleinen Hinweis auf eine fremde Person oder ein unbekanntes Fahrzeug, die am gestrigen Abend in der Nähe aufgetaucht waren.
    »Den Althauser hent Se scho gsprocha?«, fragte Hermann Currle, nachdem sie zwei-, dreimal zaghaft an ihrem Glas genippt hatte.
    Die junge Kommissarin wusste nicht, wen der Mann meinte, musterte ihn fragend. »Von wem sprechen Sie?«
    »Alfons Althauser. Der wohnt dort vorne in der Untere Zeiselbergstraß.« Er zeigte nach draußen, stadteinwärts. »Letztes Jahr hent se sei Frau agfahre, kaum, dass sie aus dem Haus war. Seitdem stoht der de halbe Dag hinter dem Fenschter ond beobachtet die Autos.«
    »Weshalb?«
    »Ob se net zu schnell fahret. Ond alle paar Däg erwischt er oin ond s’ hagelt Azeige.«
    »Und Sie glauben, der hat auch hier diesen Straßenabschnitt im Blick?«
    »Er vielleicht net, aber sei Weib. Die hockt seit dem Unfall im Rollstuhl ond hilft ihm, s’ Fernglas vor de Auge. Die müsset Se froge, wenn Se wisse wellet, was hier los war.«
    Stephanie Riedinger griff nach ihrem Block, notierte sich den Namen und die Adresse der Familie.

19. Kapitel
    Kurz nach fünfzehn Uhr war Neundorf wieder in ihrem Büro. Sie hatte in einer Bäckerei zwei Vollkornbrötchen erstanden, aß sie jetzt zu einer Tasse Kaffee, wartete auf die Mail der Telefongesellschaft, die die Anschlüsse der Firma Afrimport betreute.
    Marion Wieland war zu keiner weiteren Auskunft mehr fähig gewesen. Der Tod ihres Chefs hatte sie so sehr erschüttert, dass sie Neundorf ohne jede Bedenken den Zutritt zum Büro Robert Heimpolds geöffnet und ihr die Schublade mit den Schlüsseln zu allen Schränken überlassen hatte. Das Material in den verschiedenen Ordnern und Fächern war dermaßen umfangreich, dass es mehrere Tage beanspruchen würde, alles durchzusehen, vorausgesetzt, die Staatsanwaltschaft erteilte die Genehmigung dazu. Neundorf hatte mehrere Papiere überflogen und dabei festgestellt, dass es sich um

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