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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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die Hand, »ich will Sie nicht lange aufhalten.«
    Sie schüttelte den Kopf, trat von der Tür zurück. Er folgte ihr durch den mit vielen Orientteppichen belegten Flur in dasselbe Zimmer wie vor wenigen Tagen, spürte erneut das angenehme Gefühl des weichen Bodens unter seinen Füßen. Sie wies auf das große, mit samtrotem Stoff überzogene Ecksofa, nahm selbst in dem breiten Sessel gegenüber Platz. Die Einrichtung beeindruckte ihn aufs Neue; die vielen verschiedenen Teppichmuster auf dem Boden und an den Wänden verliehen dem Raum ein außergewöhnliches Flair.
    »Sie haben noch Fragen?«
    Er ließ sich auf dem Sofa nieder, konzentrierte sich auf seine Gastgeberin. Emilie Herzog wirkte erschöpft und noch mehr gealtert, die Falten in ihrem Gesicht hatten bis auf die Partie unter dem Mund jeden Bereich erobert. »Eine Kleinigkeit nur«, sagte Braig, »ich muss sie klären, verstehen Sie bitte, das gehört zu meinem Beruf.«
    Sie wartete stumm auf seine Ausführungen, lehnte sich in ihrem Sessel zurück.
    »Am Sonntagabend, kurz bevor Ihr Sohn ...«, er zögerte, ärgerte sich über Wangbiehler und sich selbst, dass er die alte, vom Schicksal so schwer getroffene Frau jetzt mit dieser Belanglosigkeit belästigen musste, fuhr dann langsam mit seinem Anliegen fort, »Sie fuhren mit Karl nach Hohenacker zu einem der Hochhäuser und besuchten dort eine junge Frau. Erinnern Sie sich?«
    Emilie Herzog betrachtete ihn aufmerksam, seufzte dann laut. »Sie hat es Ihnen erzählt?«
    Braig wunderte sich über ihre Reaktion. »Das stimmt also?«
    »Sie wissen es doch«, erwiderte sie.
    Er starrte sie überrascht an, überlegte, wie er fortfahren sollte. Waren die Behauptungen Wangbiehlers tatsächlich korrekt? »Angeblich hatte die Frau eine Auseinandersetzung mit Ihrem Sohn.« Er formulierte die Worte langsam und in gedämpftem Ton, um seine Gesprächspartnerin nicht unnötig zu belasten.
    Sie rutschte in ihrem Sessel nach vorne, streckte ihm den Oberkörper entgegen. »Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
    Er brauchte einen Moment, ihre Antwort zu begreifen, zog seinen Notizblock vor, nahm den Schreiber in die Hand. »Der Name der Frau, bitte?«
    »Swetlana«, sagte sie, »ich gebe Ihnen den Schlüssel zur Wohnung.« Sie erhob sich, ging zu der schmalen, dunklen Kommode an der Wand des Zimmers, zog eine Schublade hervor, kramte darin herum. Nach kurzem Suchen hatte sie Erfolg. Sie reichte ihm ein Schlüsselpaar, nannte den Namen der Straße und die Hausnummer, betonte die Lage der Wohnung. »Zweites Stockwerk links. Sie finden keinen Namen an der Tür, sie ist im Moment nicht bewohnt.«
    Braig bemerkte den Widerspruch in ihren Worten, nahm die Schlüssel entgegen. »Aber die junge Frau ist dort anzutreffen?«
    Emilie Herzog warf ihm einen ratlosen Blick zu. »Ich weiß es nicht. Sie müssen es versuchen.«

21. Kapitel
    Der Hochhaus-Komplex in Hohenacker lag nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt. Braig orientierte sich an der Hausnummer, fand den Klingelknopf, an dem als einziger kein Namensschild angebracht war. Er läutete zweimal, schaute nach oben. Keinerlei Reaktion. Er drückte erneut auf die Klingel, zog dann die Schlüssel hervor, die Emilie Herzog ihm gegeben hatte, öffnete die Tür. Das Treppenhaus roch intensiv nach parfümiertem Reinigungsmittel, die Stufen glänzten frisch poliert. Kein Schmutz, nirgends ein Fleck. Wer immer hier am Werk gewesen war, er oder sie hatte es mit schwäbischer Gründlichkeit getan.
    Braig eilte die Stufen hoch, fand im zweiten Stockwerk die Wohnung ohne Namensschild. Er läutete dreimal kräftig, klopfte an der Tür. »Frau Herzog schickt mich«, sagte er laut, »ich möchte mit Ihnen sprechen.«
    Er hörte die Geräusche über sich, schaute die Treppe hoch. Eine tief verschleierte Frau kam die Stufen herunter, Eimer, Putzlappen und Schrubber in der Hand, die Augen fest auf den Boden gerichtet. Sie huschte grußlos an ihm vorbei, einen Hauch des benutzten Putzmittels zurücklassend. Braig hörte, wie unten die Haustür geöffnet wurde.
    Er wiederholte sein Läuten, nahm dann den zweiten Schlüssel, steckte ihn ins Schloss. Die Tür schwang geräuschlos nach innen, gab den Blick auf eine leere Diele frei. Kein Teppich, keine Bilder, nicht ein einziges Möbelstück war zu sehen. Hier schien niemand zu wohnen.
    Er klopfte nochmals kräftig an die Tür, trat einen Schritt vor. »Ist jemand da? Frau Herzog schickt mich.«
    Seine Worte verhallten ohne Reaktion. Die Stille, die auf der

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