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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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Wohnung lastete, wirkte bedrückend. Hier war kein Mensch, spürte er, auch nicht die junge Frau, nach der er suchte. Braig griff in seine Tasche, zog sich Plastikhandschuhe über. Er schloss leise die Wohnungstür hinter sich, lief auf Zehenspitzen bis zum ersten Raum. Kein Geräusch, nichts. Er öffnete die Tür, hatte die Küche vor sich. Das übliche, fest installierte Mobiliar; Einbauschränke, Spüle, Elektroherd, dazu eine Hand voll leerer Töpfe, Teller, Tassen, Besteck, alles sauber gespült. Der Wasserhahn tropfte leise vor sich hin. Braig glaubte, den Geruch einer noch nicht allzu lange zubereiteten Mahlzeit in der Nase zu spüren. Die nächste Tür führte zum Bad, einem schmalen, mit Duschkabine, Wanne und Waschbecken ausgestatteten Raum. Zwei bunte Handtücher hingen über einer Stange, ein Duschmittel stand auf der Anrichte unter dem Spiegel. Auch hier ein Duft, der erkennen ließ, dass es vor kurzem noch benutzt worden war.
    Braig fand die Toilette, dann, auf der Südseite der Wohnung, zwei große, bis auf einen Stuhl und eine aufgeblasene Luftmatratze leere Zimmer. Er trat näher, sah zwei Fotografien auf der Sitzfläche des Stuhls liegen. Von draußen war das laute Aufheulen eines Automotors zu hören. Er beugte sich nieder, nahm die beiden Bilder in die Hand, roch die intensiven Ausdünstungen der Luftmatratze, ein widerliches Gemisch aus Gummi und irgendwelchen Kunststoffen. Hier zu schlafen war garantiert nicht allzu angenehm, es sei denn, man hatte seinen Geruchssinn vollkommen verloren. Braig hörte, wie der heulende Automotor in der Ferne abtauchte, betrachtete die Fotos. Sie zeigten ein auffallend hübsches, etwa vierzehnjähriges Mädchen in sommerlich bunter, luftiger Kleidung, das freundlich in die Kamera lächelte, mitten auf einer Blumenwiese stehend. Sie hatte kurze hellblonde Haare, ein schmales Gesicht mit einem Schmollmund, sie wirkte noch unschuldig-kindlich, fern jeder Kokettrie.
    Ein glückliches Kind in einer traumhaft schönen Umgebung, überlegte Braig. Er schob das Foto zur Seite, nahm sich das andere Bild vor. Der Anblick traf ihn völlig unverhofft. Er warf seinen Oberkörper so heftig zurück, dass er mit dem Kopf an die Wand prallte. Das Zimmer schien sich um ihn zu drehen, die Luftmatratze und der Stuhl durch die Luft zu wirbeln. Er stolperte zur Seite, klammerte sich am Türrahmen fest. Er verharrte mehrere Sekunden in der Türöffnung, rang nach Luft. Draußen vor dem Fenster waren die schrillen Warnrufe eines Vogels zu hören. Braig nahm sie nur verschwommen wahr. Er benötigte eine Weile, wieder klar zu sehen, merkte, wie sich sein Gehirn schwerfällig in Gang setzte.
Eva
war auf dem zweiten Foto zu lesen,
Eva Camiszewicz
. War das die Erklärung für die Verbrechen?
    Braig spürte, wie er zitterte, bemühte sich, Neundorf anzurufen. Sie meldete sich nach kurzem Warten.
    »Wo bist du?«, fragte sie.
    »Ich war bei Frau Herzog«, sagte er. Er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, starrte auf das Foto vor ihm.
    »Und? Was hat es mit den angeblichen Beobachtungen dieses Wangbiehler auf sich?« Neundorfs Frage riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Sie streitet es nicht ab.«
    »Wie bitte?« Die Stimme seiner Kollegin erreichte eine solche Lautstärke, dass es ihn in den Ohren schmerzte. »Die Behauptungen dieses Kerls sind nicht erlogen?«
    »Es sieht nicht so aus«, sagte er, »Frau Herzog bestätigte mir, dass es diese ominöse junge Frau gibt.«
    »Und? Um wen handelt es sich?«
    »Ich weiß es nicht. Sie gab mir die Schlüssel für eine Wohnung in Hohenacker. Hier bin ich jetzt. Ich dachte, ich würde die junge Frau antreffen, aber ...«
    »Sie ist weg.«
    »Die Wohnung ist leer, ja. Allerdings noch nicht lange. Die Spuren eines Menschen sind nicht zu übersehen. Geschirr, ein Stuhl, eine Luftmatratze. Und der Geruch von Essen in der Küche. Außerdem liegen noch zwei Fotos in einem der Zimmer.«
    »Was für Fotos?«
    »Ein bildhübsches junges Mädchen. Vielleicht dreizehn, vierzehn Jahre alt. Auf dem ersten Bild läuft sie über eine bunte Blumenwiese, im Frühling oder im Sommer, schön angezogen, freundlich lächelnd. Auf der Rückseite steht ein Name, ich denke, es ist der des Mädchens: Eva Camiszewicz.«
    »Das klingt polnisch.«
    »Ja, das scheint mir auch so. Frau Herzog behauptete, die junge Frau hier in der Wohnung heiße Swetlana.«
    »Eva Camiszewicz und Swetlana«, wiederholte Neundorf, »weißt du, was mir dazu einfällt?«
    »Was meinst

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