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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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bitte?« Braig sprang von seinem Platz hoch, starrte den Mann entsetzt an. »Er ist weg? Wohin?«
    Conrad wiederholte seine Aussage fast genauso langatmig und umständlich wie vorher, wies nur in einem Nebensatz darauf hin, dass niemand im Haus wisse, wo Wangbiehler sich aufhalte. Die Peinlichkeit der Situation stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Mein Gott«, schimpfte der Kommissar, »um mir das mitzuteilen, lassen Sie mich extra hierher kommen?« Er schüttelte den Kopf, wusste nicht, wohin mit seiner Wut. »Ein feines Haus«, polterte er, »Sie führen wahrlich ein feines Haus.« Er wusste, was der Vorfall für ihre Untersuchungen bedeutete, war sich darüber im Klaren, welcher Berg an zusätzlicher Arbeit auf ihn zukam.
    »Sie glauben nicht, wie unendlich Leid mir das tut.« Conrad fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wischte sich Schweißperlen weg. Ob er vor Aufregung oder der warmen Luft wegen schwitzte, wusste Braig nicht zu beurteilen.
    »Ist das zum ersten Mal passiert?«
    Der Arzt schaute nur fragend zu ihm hoch.
    Braig konnte nicht länger darüber hinwegsehen, wie verlegen der Mann war. »Mit Wangbiehler, meine ich.«
    Conrad nickte mit dem Kopf. »Ja. Es ist auch nicht einfach so zu bewerkstelligen. Herr Wangbiehler muss uns einen Schlüssel entwendet haben.«
    »Die Tür ist auch von innen verschlossen?«
    »Immer, ja. Ebenso die Fenster.«
    »Wie viele Schlüssel gibt es?«
    »Zwölf. Jedem Mitarbeiter steht einer zur Verfügung.«
    »Und wessen Schlüssel fehlt?«
    Conrad schaute ihm betroffen in die Augen. Braig ahnte die Erklärung, bevor der Mann sie formuliert hatte.
    »Mein eigener. Hier aus dem Schreibtisch.« Der Arzt wies auf das schlanke Mobiliar vor ihnen, starrte auf dessen Rückfront, als wolle er das Möbelstück für den Vorfall verantwortlich machen.
    »Sie haben unsere Kollegen über das Geschehen informiert?«
    »Das entspricht nicht dem Stil unseres Hauses. Wir arbeiten diskret.«
    »Wann haben Sie seinem Vater Bescheid gegeben?«
    »Vor einer guten Stunde etwa, ich erwähnte es bereits.«
    Braig nahm die Information überrascht zur Kenntnis, ahnte, wie sehr das Verschwinden Wangbiehlers die Mitarbeiter und speziell die Leitung der Klinik getroffen haben musste. Das Haus, mit einem so hervorragenden Ruf, dass auch ein steinreicher Unternehmer wie Wangbiehler bereit war, ihm seinen Sohn anzuvertrauen – gegen sehr viel Geld, wie der Kommissar schätzte – musste gegen Vorfälle wie diesen prinzipiell gefeit sein, das durfte einfach nicht passieren. Was tun, jetzt, wo das Unmögliche doch Realität geworden war?
    Der Leiter der Klinik war auf die einfachste Methode verfallen, die sich ihm bot, hatte auf den Faktor Zeit gesetzt. Man war ruhig geblieben, hatte das Verschwinden des Mannes verschwiegen, in der Hoffnung, er würde bald wieder zurückkehren und das Problem damit von selbst lösen, überlegte Braig. Man hatte einfach darauf gewartet, dass Wangbiehler wieder auftauchen würde. Vielleicht hätte das auch funktioniert. Jetzt aber war er, Braig, hier erschienen und hatte diesen Plan zerstört. »Sie dachten, er kommt bald wieder freiwillig zurück?«
    Conrad nickte wortlos.
    »Und seinen Vater wollten Sie erst gar nicht informieren?«
    Die Miene des Arztes war Antwort genug.
    »Wo kann er jetzt sein? Haben Sie irgendeinen Anhaltspunkt?«
    »Nein, leider, nichts. Wir hätten alles versucht ...« Er brach ab, zuckte verlegen mit der Schulter.
    »Hat er Freunde? Leute, bei denen er untergetaucht sein kann?«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Was meinte sein Vater dazu?«
    »Sein Sohn sei längst volljährig, er müsse selbst für die Folgen gerade stehen.«
    »Das war seine Reaktion?« Braig zeigte sich überrascht. Er hatte eher an einen Tobsuchtsanfall des einflussreichen Mannes gedacht, wunderte sich zudem darüber, dass ihm der Arzt auf diese Frage überhaupt antwortete.
    »Wir haben vor einer Stunde darüber gesprochen, ich erwähnte es schon.«
    Braig nickte, überlegte, was jetzt zu tun sei. »Wangbiehler hat Ihr Haus am Samstag verlassen. Wissen Sie, zu welcher Zeit?«
    Conrad fasste sich an den Hals, lockerte den Kragen seines Hemdes. »Wir haben ausführlich darüber nachgedacht«, antwortete er. »Es muss kurz vor achtzehn Uhr gewesen sein.«
    »Sind Sie sich sicher?«
    »Absolut. Zehn Minuten vorher war ich persönlich noch bei ihm in seinem Zimmer. Anschließend beschäftigte ich mich mit einem anderen Patienten. Punkt achtzehn Uhr wird bei uns das Abendessen

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