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Schwaben-Wahn

Schwaben-Wahn

Titel: Schwaben-Wahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Wanninger
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zukam. Allein der Gedanke an ihren früheren Vorgesetzten Kriminalrat Gotthold Gübler ließ ihn frösteln. Zum Glück hatte er jedoch aus dem jahrelangen Umgang mit solch verqueren, unausgeglichenen Personen gelernt: So etwa die Fähigkeit, Methoden zu entwickeln, mittels derer man den größten Stolpersteinen aus dem Weg gehen konnte. Es schien, als müsse er sich wieder neu auf diese Fähigkeit besinnen.
    Er hörte Neundorfs Worte, die ihm von der Pressekonferenz erzählte, die sie unter der Leitung des Oberstaatsanwaltes gerade hinter sich gebracht hatte und in der die Ermordung Herzogs wenn nicht als von den Erpressern durchgeführt, so doch in einen möglichen, ja wahrscheinlichen Zusammenhang gestellt worden war.
    »Wenn der Herr Oberstaatsanwalt sich seiner Sache so sicher ist, kann ich mir den Weg nach Tübingen ja sparen«, schimpfte er.
    »Was hast du vor?«
    Er trat an die Hauswand des Ministeriums zurück, um eine ältere, gehbehinderte Frau passieren zu lassen, schilderte seiner Kollegin den Ablauf und die Ergebnisse seiner Bemühungen.
    »Dann willst du jetzt noch nach Tübingen?«
    »Ich bin gerade auf dem Sprung.«
    »Nur um zu erfahren, dass Wangbiehler die letzten Tage und Nächte in der Klinik kaserniert war.«
    »Dann wissen wir wenigstens, dass er ebenso wie Zimmermann nicht für den Mord infrage kommt.«
    »Und Koch hat mit seiner Auffassung, die Erpresser hätten Herzog ermordet, endgültig die richtige Karte gezogen.«
    »Nicht ganz«, erwiderte Braig, »zum einen gibt es eine ganze Menge anderer Leute, die auf Karl Herzog wütend waren, weil er ihnen den Führerschein nicht sofort wieder zur Verfügung stellen wollte. Und dann ist da noch seine Frau. Oder hast du ihre Reaktion heute Morgen vergessen?«

7. Kapitel
    Braig wusste nicht, was er von der Theorie des Oberstaatsanwaltes halten sollte. Natürlich war er sich darüber im Klaren, dass Terroristen zum Erreichen ihrer Ziele im wahrsten Sinn des Wortes über Leichen gingen – das berichteten die Medien schließlich fast jeden Tag aus den verschiedensten Regionen dieser Erde. Aber war Karl Herzog wirklich nur deswegen ermordet worden, weil kriminelle Erpresser ihre Entschlossenheit um jeden Preis demonstrieren wollten? Das Leben eines Mannes endgültig, unwiderruflich zerstört, nur um damit zu unterstreichen, dass es keine Alternative zur Zahlung der geforderten Summe gab? Ich bin das erste Schwein, das büßen muss. Und wenn die erpressten Firmen dann immer noch zögerten, Geld bereitzustellen, das nächste Opfer, der zweite Mord, ein weiteres Verbrechen, so lange bis endlich ...
    Braig war zu seinem Fahrzeug geeilt, hatte sich dann in den Verkehr Richtung Tübingen eingefädelt. Er spürte seinen hungrigen Magen, litt unter zunehmenden Kopfschmerzen, fühlte sich müde und ausgelaugt. Wie viele Tage lag der Urlaub bereits wieder zurück? Er hatte Mühe, die korrekten zeitlichen Zusammenhänge herzustellen, wollte nicht glauben, dass sie Venedig erst am Vortag verlassen hatten. Die traumhaft schönen Stunden in den ruhigen Gassen der Lagunenstadt schienen ihm Äonen entfernt. Nicht einmal einen Tag im Dienst, hatte ihn der alte, nervenaufreibende Trott schon wieder voll im Griff. Entstellte, eines unnatürlichen Todes gestorbene Menschen begutachten, Spuren identifizieren, verdächtige Personen und ihre Alibis überprüfen – und dabei wie ein seelenloser Roboter funktionieren, der nur auf Effizienz und Leistung getrimmt war. Die eigene Psyche, das eigene Befinden interessierten niemanden. Auf sich selbst Rücksicht zu nehmen, war in diesem Beruf nicht möglich, es wirkte nur hemmend, verhinderte eine schnelle und Erfolg versprechende Bearbeitung des aktuellen Falles. Die seelische und körperliche Gesundheit der Ermittler selbst blieben auf der Strecke – was zählte, war allein Erfolg. Und bis der sich einstellte, vergingen zumeist Wochen Kräfte zehrender Untersuchungen.
    Braig spürte das Hämmern hinter seinen Schläfen, griff sich mit der Linken an den Kopf, massierte die schmerzende Stelle. Was ihn heute noch erwartete, war jetzt schon absehbar: Der Tag, so unerfreulich er mit dem Ruf zu Herzogs Leiche begonnen hatte, würde trotz all seiner Bemühungen so unergiebig enden wie unzählige andere zuvor: Zimmermann und Wangbiehler, die Hauptverdächtigen, mit kaum zu widerlegendem Alibi, die gesamte rastlose Hektik der vergangenen Stunden ohne sinnvollen Hinweis auf die Identität des oder der Täter. Er hämmerte mit der

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