Schwaerzer als der Tod Thriller
mich gefragt«, sagte Peter Crane. »Aber nicht jeder erzählt ihnen die Wahrheit. Sie brauchen eine Bestätigung von anderen Leuen - wie von dir oder Mom.«
»Mein Dad würde nie jemanden umbringen«, sagte Tommy. »Er ist ein guter Mensch. Er schreit auch nie - er schreit nicht einmal meine Mom an. Und auch wenn er nicht zu Hause war, bedeutet das nicht, dass er jemanden umbringen würde.«
»Nein, das heißt es nicht«, pflichtete Anne ihm bei, obwohl sie die Bemerkung seltsam fand. Auch wenn er nicht zu Hause war …
»Mein Dad hilft den Leuten«, sagte Tommy. »Immer. Auch wenn er gar nicht muss.«
»Das ist toll«, sagte Anne. »Dein Dad ist ein richtiges Vorbild für dich.«
»Meine Mom sagt, er ist eine Säule der Gemeinde«, sagte er. Er wusste zwar nicht genau, was das bedeutete, aber es war ganz bestimmt etwas Gutes.
»Da bin ich sicher. Und ich bin sicher, das wirst du auch werden, wenn du erwachsen bist«, sagte Anne. »Du hast diese Woche viel durchmachen müssen, und du warst sehr tapfer. Ich bin sehr stolz auf dich und Wendy.«
Bei der Erwähnung des Namens seiner Freundin wurde Tommys Gesicht ernst. »Dennis Farman hat heute im Park Wendy und Cody angegriffen.«
»Ja, ich weiß«, sagte Anne und wünschte, das Thema wäre an diesem Abend nicht zur Sprache gekommen. Sie würde sicher bis Montag brauchen, um sich etwas einfallen zu lassen, wie sie ihren Schülern erklärte, was Wendy und Cody widerfahren war und was nun mit Dennis passieren würde. Es war so unfassbar, dass sie es selbst noch nicht ganz begriffen hatte. Wie sollte sie da Zehnjährigen diesen Wahnsinn so vermitteln, dass sie es verstanden?
»Wendy hat mich angerufen und mir alles erzählt«, sagte Tommy. »Sie hat gesagt, Dennis hatte ein riesiges Messer, und er hat versucht, Cody das Herz rauszuschneiden!«
»Er hatte ein Messer«, sagte Anne. »Und er hat Cody damit verletzt, aber Cody wird wieder gesund. Und Wendy auch«, fügte sie hinzu, für den Fall, dass Wendy ihren Part bei dem Vorfall ebenfalls ein bisschen ausgeschmückt hatte.
»Meine Mom sagt, Dennis ist böse, und er sollte wie ein Tier weggesperrt werden.«
»Dennis hat viele schlimme Dinge getan«, sagte Anne. »Er ist ein sehr trauriger Junge, Tommy. Und selbst wenn es uns leichtfällt, böse auf Dennis zu sein, sollten wir auch Mitleid mit ihm haben.«
»Warum?«, fragte Tommy mit dem gnadenlos ehrlichen Unverständnis eines Kindes.
»Wir wissen nicht, was andere dazu veranlasst, schlimme Dinge zu tun, Tommy«, sagte sein Vater. »Es gibt keine Entschuldigung dafür, aber wir müssen verstehen, dass es wahrscheinlich viele komplizierte Gründe dafür gibt, warum Dennis so ist, wie er ist.«
Tommy verzog das Gesicht. »Ich will einfach nur, dass er nicht mehr in meiner Nähe ist. Wenn er erwachsen wäre und versucht hätte, jemandem das Herz rauszuschneiden, dann müsste er ins Gefängnis, oder?«
»Ja«, sagte Anne. »Und Dennis wird für das, was er getan hat, bestraft werden. Aber gleichzeitig hoffe ich, dass ihm jemand helfen kann zu verstehen, warum er es getan hat.«
»Weil sein Kopf nicht richtig funktioniert«, erwiderte Tommy sachlich, als die Kellnerin die Getränke brachte.
Nachdem er klipp und klar festgestellt hatte, wo die Wurzel des Problems lag, begann ihn das Thema zu langweilen. Er trank ein paar große Schlucke von seiner Pepsi und sah seinen Vater an.
»Dad, darf ich Pacman spielen, bis die Pizza kommt? Bitte!«
»Klar«, sagte sein Vater und fischte ein paar Fünfundzwanzigcentstücke aus seiner Tasche. »Entschuldige dich, bevor du aufstehst.«
»Entschuldigen Sie mich bitte, Miss Navarre.«
»Viel Spaß«, sagte Anne und sah ihm nach, wie er zu den Spielautomaten flitzte. »Ihr Sohn ist ein bemerkenswerter Junge, Dr. Crane.«
»Er ist wirklich brav und lieb. Heute bin ich meinem Glücksstern ganz besonders dankbar, nachdem ich gehört hatte, was der Farman-Junge angestellt hat. Schwer vorstellbar, dass ein Kind in dem Alter so viel Wut in sich hat.«
»Ich glaube, Dennis hatte bislang keine besonders schöne Kindheit«, sagte Anne. »Man weiß einfach nie genau, was in anderen Familien vor sich geht.«
»Ja«, pflichtete Crane ihr bei, »jede Familie hat ihre Geheimnisse, und diese Geheimnisse können sehr tief reichen - tiefer als Lügen, tiefer als der Tod. Und sie haben auf jedes Familienmitglied Auswirkungen, von denen wir nichts wissen können.«
»Stimmt«, sagte Anne und dachte an ihre eigenen
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