Schwaerzer als der Tod Thriller
Sie hatte eigentlich etwas mehr Bewunderung erwartet. Sein Blick sagte nicht: Dennis ist toll, Dennis hat nie Angst, ich wünschte, ich wäre so wie Dennis.
»Wie kommst du darauf, Cody?«
Er zuckte die Schultern.
Sie drang nicht weiter in ihn. »Gibt es etwas, das du mir über das, was gestern passiert ist, erzählen möchtest?«
Er überlegte. Er sah auf seine bloßen Füße, dann schob er seine Brille wieder hoch.
»Wir haben heute Morgen in der Schule darüber gesprochen«, sagte Anne. »Wir haben darüber gesprochen, dass manchmal schlimme Dinge passieren, sehr, sehr schlimme Dinge. Dinge, die schwer zu begreifen sind - warum ein Mensch einem anderen etwas so Schreckliches zufügt.«
»Weil er verrückt ist«, sagte Cody.
»Ja, manchmal ist er verrückt. Und wenn wir solche beängstigenden, schrecklichen Dinge mitbekommen, dann fühlen wir uns plötzlich nicht mehr sicher in der Welt. Weißt du, was ich meine?«
Cody nickte langsam. Der dicke Terrier quetschte sich durch die Tür, sprang aufs Bett, schnüffelte an dem Jungen herum, dann wackelte er zum Fußende des Bettes, drehte sich fünfmal um die eigene Achse und legte sich zusammengerollt hin.
»Fühlst du dich jetzt so?«, fragte Anne. »Als könnte dir etwas zustoßen, wenn du wieder nach draußen gehst?«
Über diese Frage dachte er eine ganze Weile nach und beschloss, sie nicht zu beantworten, was auch eine Antwort war.
Sie verstand das. Er hatte das Schlimmste gesehen, was ein Mensch einem anderen antun konnte. Diese Gewalt berührte jeden, der davon erfuhr. Jede Frau in Oak Knoll würde heute Abend die Türen und Fenster ihres Hauses fest verschließen. Wie sollte Anne da ein zehn Jahre altes Kind davon überzeugen, dass ihm diese Gewalt nichts anhaben konnte?
Und welchen Grund hatte er, ihr zu vertrauen? Sie kannte ihn kaum. Wenn sie ehrlich war, dann kannte sie ihn viel weniger als Tommy oder Wendy. Er war kein besonders guter oder aufgeweckter Schüler. Er machte immer nur auf sich aufmerksam, wenn er unter dem Einfluss von Dennis Farman stand. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich nie näher mit ihm auseinandergesetzt hatte, und fragte sich, welche Kinder sie sonst noch nur am Rande wahrnahm.
»Das Hähnchen riecht richtig gut«, sagte sie und stand auf. »Willst du nicht etwas zu Abend essen?«
Wieder antwortete er ihr nicht. Sie hatte den Eindruck, dass er immer noch mit der vorherigen Frage beschäftigt war, dass er immer noch mit einer Antwort rang, aber sie durfte ihn nicht unter Druck setzen. Er musste es ihr von sich aus sagen.
»Wenn du mit mir darüber sprechen möchtest«, sagte sie, »kannst du jederzeit zu mir kommen, Cody. Oder du sagst es deiner Mutter. Du musst mit alldem nicht allein fertig werden.«
Anne drehte sich zur Tür, machte einen Schritt und dann noch einen. Dann sagte Cody etwas, das ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte.
»Dennis hat gesagt, dass im Wald noch mehr Leichen vergraben sind.«
Anne drehte sich langsam um.
»Wie meinst du das, Cody? Hat er das gestern gesagt? Nachdem ihr die tote Frau gefunden habt?«
Cody Roache war so weiß wie die Wand, die dunklen Augen hinter den dicken Gläsern seiner geflickten Brille wirkten riesig.
»Davor«, flüsterte er.
Anne trat wieder ans Bett und setzte sich hin. »Das verstehe ich nicht. Wann genau hat er dir das gesagt?«
»Das ist schon länger her. Wir waren im Park und haben Soldat gespielt, und da hat er gesagt, dass dort Leichen vergraben sind.«
Wenn er ihr das vor zwei Tagen erzählt hätte, hätte Anne es als etwas abgetan, das Dennis sich ausgedacht hatte, um andere zu erschrecken. Aber es hatte sich gezeigt, dass tatsächlich eine Leiche im Wald begraben war.
Vielleicht war Dennis ja vorher schon einmal allein dort gewesen und hatte irgendetwas gesehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass Cody sie unverwandt anstarrte, so als wartete er darauf, dass sie etwas sagte, aber ihr fiel nichts ein.
»Glauben Sie, dass Dennis die Frau umgebracht hat?«, flüsterte er.
»Nein«, sagte sie. »Nein, natürlich nicht. Was genau hat er denn gesagt, Cody? Hat er gesagt, dass er eine Tote gesehen hat?«
»Er hat gesagt, dass dort Leichen vergraben sind und dass sie in der Erde verfaulen und dass wir auf ihnen herumlaufen und auf sie drauftreten. Und dann war da plötzlich die Frau!«
Sie musste Detective Mendez anrufen. Wenn Dennis tatsächlich etwas gesehen haben sollte… Sie fragte sich, ob Dennis seinem Vater davon erzählt
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