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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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ich.
    Stanjic erzählte was von Akupunktur und Schimmelkulturen, der Dichte von Geigenkörpern, Stanjic hatte in seiner düsteren österreichischen Vergangenheit Schindluder mit seinem Cello getrieben. Er hatte in der Zeitung eine Anzeige gelesen.
    Dissonanzen im Gehäuse, hatte es da geheißen, Klingt Ihr Instrument nicht, wie es soll?
    Er hatte das rundweg bejahen müssen. Er war sich sicher gewesen, seines ganzen Lebens Unbill ergebe sich aus seinem verstimmten Cello. Er dachte sich, kein Wunder, läuft bei mir nichts rund und geht alles in die Binsen, klar ist die Harmonie dahin, wenn alles, was ich spiele, derart kreuz und schief klingt.
    Akupunktur hilft!
    Hatte es in der Anzeige geheißen und er hatte sich per Telefon die Sache erläutern lassen, die Dichte des Holzes, das Bohren von winzig kleinen Löchern und die damit verbundene neu erzeugte Ausgewogenheit des Klanges, er fand das alles ungeheuer einleuchtend.
     
    Wie so oft in Lebenskrisen hatte er natürlich das Symptom für die Ursache genommen. Die ganze Sache fiel unter Feng-Shui, Bachblüten und seine Meditationsversuche.
    Dabei, sagte Sydow, ist alles klar wie Kloßbrühe, Klara plante gerade ihren Abgang und du denkst noch, mit deinem Cello stimme was nicht, Klara packte schon ihre Koffer, hechtete elegant mit einem Köpper ins Wasser, auf zu neuen Ufern, und du vermutest, ein paar Löcher bohren und alles ist wieder paletti.
    Nicht, dass er sein Cello in die fachmännischen Hände gelegt hätte. Stanjic fand, er hätte ihm das in dem Telefongespräch hinreichend erklärt und erledigte die Sache gleich selbst. In Ermangelung eines feineren Werkzeugs griff er zum Korkenzieher, bohrte kleine Löcher hinein, weil das wirkt.
     
    Seither war sein Leben völlig aus den Fugen, deswegen, vermutete Stanjic, war sein Leben völlig aus den Fugen. Sein Cellospiel klang nach grässlichen Martern, nach den Schreien verlorener Seelen im Höllenfeuer, alles, so schien ihm, war löchrig geworden und porös. Er hatte noch eine gute Weile vor sich hin getingelt, der Mensch, er ist erstaunlich träge, wenn es darum geht, wieder in die Gänge zu kommen, er hatte den Tritt nicht mehr gefunden, den Rank nicht gekriegt und die Füße auf den Boden.
    Er hatte ein Gartenfest besucht, eine furchtbare Festivität. Er hatte die Erinnerung daran gründlich aus seinem Gedächtnis getilgt und würde auch hier und heute nicht für viel Geld davon berichten – ich übrigens auch nicht. Ich bin generell kein Partylöwe, aber diese Feier lässt mich heute noch schaudern und um jede harmlose Einladung einen großen Bogen machen.
    Diese Erfahrung hatte dem Unsinn die Krone aufgesetzt. Seither war er der Meinung, alles Private sei im Grunde politisch.
    Wieder, sagte Sydow, eine fatale Umkehrung von Ursache und Wirkung. Dein Leben geht verschütt und es liegt am Cello, dein Leben ist immer noch verschütt und nun liegts am Land.
    Diesmal bohrte er sich ein Loch direkt hinaus. Mit dem Kopf voraus und dann im Uhrzeigersinn immer um sich selber drehend, kroch er von dannen. Nicht, dass alles besser wurde, aber anders mit Sicherheit. Seither stromerte er durch Berlin, immerhin etwas.
    Kurzum! Er fuhr in die Schweiz, wollte alles wieder ins Lot bringen, Cello, life und everything eben, und logierte bei einer Katharina.

18. Probleme mit dem Personal

    Katharina, grübelte mein Lektor, er betrachtete düster die dürren Zweige seines begonnen Stammbaums, und wo häng ich die jetzt hin?
    Das hat doch noch Zeit, sagte ich. Im Moment ist sie noch eine absolute Randfigur.
    Im Moment, im Moment, muffelte er, man kann nicht erst auf Seite fünfhundert jemanden als richtig wichtig enttarnen, so was muss man zielgerichtet aufbauen. Und ich muss das dann in der Vertretersitzung wieder ausbaden, diese ganzen Leute, werden sie sagen, ist das wirklich nötig? Könnte man das nicht verdichten? Der liebe Leser, er möchte zumindest ein paar Anhaltspunkte, sie wohnt in Zürich, aha, und was macht sie so beruflich?
    Ich überlegte. Kunst, sagte ich, Neue Medien.
    Schon wieder ein Buch, in dem kein Mensch einer anständigen Arbeit nachgeht, stöhnte er.
    So wie du, sagte ich.
    Er hielt kurz inne, genau, sagte er dann zufrieden, so wie ich.
     
    Damals in der Schweiz wohnte er in Zürich, fuhr aber dreimal nach St. Gallen, wo der Löcherspezialist zugange war, er hatte sich das aber alles einfacher vorgestellt. Der Spezialist war ein viel beschäftigter Mann, zu ihm kamen die ganz Großen, Jehudi –
    Tot,

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