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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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dahinbrausende Autos, verstopfte Omnibusse und rumpelnde Straßenbahnen, hier gings zu wie in andrer Städte Zentrum.
    Er lauschte. Bei der Auskunft waren gerade alle Leitungen besetzt, aber der nächste freie Mitarbeiter würde sich um ihn kümmern, zwischenzeitlich spielten sie Grieg. Natürlich Grieg, jede zweite Musik in einer Warteschlaufe war Grieg, die andere was aus den Vier Jahreszeiten, es war ein Naturgesetz. Natürlich Grieg, natürlich die Morgensuite aus dem Peer Gynt , er setzte sich wieder in Bewegung, wohin, war ja egal. Er glaubte nicht mehr daran, irgendwo anzukommen, wo sollte das sein. Er glaubte nicht mehr an ein Zentrum und auch nicht an ein Ziel, er dachte an Peer Gynt und an tragisches Enden. Sicher, die Suite, sie war zutiefst optimistisch, es war ein kluger Zug der Auskunft, ihre Kunden mit diesem frohen Trällern und Toben zu vertrösten, er jedenfalls fühlte sich sofort besser. Er war froh, sich des Planes und der Wurst entledigt zu haben, er fühlte sich frei und frisch, planloses Irren war herrlich, der Tag: fantastisch, alles war schön, der Fernsehturm: ein gelungenes Beispiel für zeitlose Architektur, das Straßenbaheu: typisch Zentrum eben, die Häuser, sie waren hässlich, sicher aber hatten sie einen guten Charakter. Das Stück ging zu Ende, aber es wurde noch besser. Diese Auskunft: toll, anstatt den gleichen Senf zu wiederholen, spielten sie einem nun In der Halle des Bergkönigs vor, er wollte küssen und rennen, er hätte jetzt, er spürte es, die ganze riesige Stadt problemlos durchmessen können, weil, seien wir ehrlich, es ist nur eine Reihung von Dörfern und ein Dorf ist wie ein kleiner Schritt und viele Schritte, sie ergeben ein Ganzes.

15. Meine Zwickmühle

    Bei der Auskunft hatte nie jemand abgenommen. Dafür wurde regelmäßig die Umhüllung des hässlichen Hauses gewechselt, das letzte Mal, als er dort vorbeikam, stand da: Sie wollen einen Stau umfahren und wissen aber nicht, wo einer ist?
    Er fühlte sich durchschaut. Er hatte das Gefühl, diese Aufschriften trafen bei ihm absolut ins Schwarze. Andere umfuhren einen Stau, waren immer mittendrin im Geschehen, sie kannten den Alex, klar, der Alex! Bei ihm war alles verkehrt, weder kannte er die richtigen Leute, noch war er da, wo die Musik spielte. Er wäre gerne einer, der einen Stau umfährt und mit dem Alex gut Freund ist.
    Er hatte sich noch ein paarmal in die Warteschlaufe eingewählt und Grieg gehört, nie hatte jemand abgenommen. Es gab keine Auskunft. Im Geheimen war er aber immer schon dieser Meinung gewesen: Es gibt keine Auskunft.
    Man kann sich nur mehr recht als schlecht durchs Leben hangeln und sich die Sache im besten Fall mit Grieg ein wenig versüßen, auch schon was.
    Er würde im weiteren Verlauf dieser Geschichte noch des Öfteren mit der Auskunft telefonieren, wenn er eine Auskunft brauchte und wusste, es gab keine. Wenn er den Alex besuchen wollte oder ein wenig Musik hören. Er würde die Auskunft anrufen. Und der nächste freie Mitarbeiter würde sich umgehend um ihn kümmern.
     
    Ich stehe nun vor einem Dilemma. Soll ich mit dem Zaunpfahl winken?
    Nein, sagte mein Lektor kategorisch, im Leben winkt niemand mit dem Zaunpfahl. Niemand, argumentierte er, hat für David Stanjic gewunken. Es wäre auch, das nur am Rande, für die Katz gewesen. Einem David Stanjic kann man einen ganzen Gartenzaun hinterdreinwerfen und er wird nicht klüger davon.
    Ich wollte irgendwas erwidern, aber mir fiel nichts ein. Einen ganzen Gartenzaun, wiederholte ich beeindruckt im Stillen für mich, hinterdreinwerfen.
    Kurz und gut, wenn wir hier getreulich die Heldenwanderung (Sie lachen? Stanjic? Fragen Sie? Ein Held? Und was bitte soll ich machen? Glauben Sie mir, ich hätte auch lieber einen Holmes ins Rennen geschickt, einen Maigret, man kann sichs nicht immer aussuchen), wenn wir also die Heldenwanderung mitverfolgen wollen, von aller Anfang bis zum bitteren Schluss, so wird nicht gewunken. Ich winke hier also explizit nicht.
     
    Nach seiner Ankunft in der Stadt hatte er ein bisschen öffentlicher Verkehr gespielt. Er hatte in einer Pension gewohnt, die hier unerwähnt bleiben soll, die Betten waren unterirdisch schlecht, das Frühstück ebenfalls und der Rest auch. Er war darum noch mehr mit dem öffentlichen Verkehr gefahren und wo er dann war?
    Keine Ahnung, sagte er, er entstieg irgendwann einem U-Bahn-Schacht, erklomm Stufe um Stufe und erreichte die Oberwelt. Die Sonne ging gerade unter und er hatte

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