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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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aufhört sich zu drehen, weil der Atlas eine Pause braucht, weil er nicht mehr kann, weil einer das Licht einschaltet in der zähen Nacht und sofort kehrt Ruhe ein. Die Ruhe, wenn der Atlas die Welt absetzt und die Zeit anhält, verstehst du?
     
    Sydow schüttelte stumm den Kopf, vielleicht schlief er schon, träumte von einem Beamten am Schalter der Bahn, der ihm immer neue, aufregende Destinationen vorschlug, aber er wollte überall nicht hin, er wollte überhaupt nicht verreisen. Er stand hier am Bahnhof nur, weil ihn jemand verschleppt hatte, nach Wien, zum Stephansplatz, er hatte keinen Bäcker gefunden und vermisste die Schrippe, die Bulette und die Berliner Schnauze, er war mit lieber Not immerhin am Bahnhof gelandet und er wollte nur eins: wieder nach Hause.
     
    Stanjic goss sich Kaffee nach. Der Astronaut, sagte er, lehnte den Kopf gegen den Türrahmen, es war: Ruhe im Karton.
    Irgendwann schaltete er seine Kopfhörer wieder ein, bei der NASA herrschte eine gewisse Unruhe.
    Houston, riefen sie hektisch, hysterisches Zahnputzgurgeln, Houston calling.
    Yes, sagte der Astronaut. War es Armstrong? Schwer zu sagen, das Fischglas erschwerte erheblich die Sicht.
    Yes, sagte er heiser, it’s me.
    Dann, Stanjic hob die Stimme, Sydow schreckte auf und schaute wild um sich, er hatte was Grässliches geträumt. Er sah Stanjic, sah den Nachmittag verduften und die Schatten länger werden, er sah, dass seine Oma die Abendsuppe auf die Tafel schrieb. Er wachelte müde mit der Hand, weitermachen, murmelte er, er ließ sich wieder aufs Sofa fallen, legte sich ein Stück von seinem Schal aufs Gesicht, Zeit umbringen, weitermachen, murmelte er.
    Es gab plötzlich, sagte Stanjic munter, einen glatten Schnitt. Wir befanden uns in einer anderen Raumkapsel, sie flog zwischen Sternen, sichtete Planeten, innen drin schwebte, mit großen, klaren Augen staunend, Gagarin, Juri Gagarin, der russische Kosmonaut, unser Genosse von drüben. Er schaute aus dem Fenster, glotzte aus diesem kleinen Bullauge, unendliche Weiten, das Universum, das Driften der Sterne. Er schaute hinaus, staunte. Dann war es schwarz. Zähe Nacht, die Stimme der NASA , Vorbereitung zur Landung, Manöver, Armstrong, wie er den Mond anschaute.
    Y es, sagte er leise, yes, it’s me.
    Es war wieder von vorne losgegangen, bemerkte Stanjic. In einem türkischen Vereinslokal wär so was niemandem aufgefallen.
    Ich schaute es mir drei Mal an, sagte Stanjic, den stillen Trabanten, Gagarin mit diesen großen, wachen Augen, dann schaltete ich aus, betrachtete den dunklen Bildschirm und vermisste, dass einer den Knopf einer Nachttischlampe drückte, Ordnung hereinbrächte.

22. Der Osten ist immer gleich um die Ecke

    Das war, so weit, der damalige Film. Stanjic schwieg. Oma Sydow hatte Soljanka auf die Tafel geschrieben, immerhin war der Osten gleich um die Ecke. Es gab abends immer eine Suppe. Brot, Butter, Käse. Das wars. Oma Sydow war der Meinung, man sollte am Abend nicht so schwer essen. Sie konnte sich solche Exzentrizitäten natürlich leisten, bei Selbstläufern ist das so. Die Leute, dessen war Stanjic sicher, die Leute würden auch kommen, wenn sie künftig abends nur noch Grießbrei austeilen würde oder Kartoffeln mit Salz, weil das hat uns früher auch nicht geschadet . Die Leute würden kommen, sie würden sehen, das Café ist proppenvoll, also muss das schon alles seine Richtigkeit haben und neuerdings macht die Kartoffel ja auch nicht mehr dick.
    Stanjic persönlich fand das kein bisschen schlimm, er, entscheidungsschwerfällig, wie er war, aß gerne einfach, was auf den Tisch kam. Heute Abend also Soljanka, bis dahin müsste er die Sache aber, Endlosschleife hin oder her, im Kasten haben.
    Ich sah mir, sagte er, zwischenzeitlich natürlich mehrere andere Filme an.
    Stanjic schaute, wie Sydow immer tiefer in die Sofapolster einsank, er goss sich den Rest des Kaffees in seine provencalische Tasse, er war kalt, aber kalter Kaffee macht schön, sagte Sydows Oma immer und das gab ihm Hoffnung.
    Wie gesagt, sagte er, es liegt Wochen und mannigliche Filme zurück, auf dem Uetliberg damals, in Zürich, war mir jedoch, als gebe es eine Verbindung, als habe ich schon damals ein Verbindungsglied in Händen gehalten, ohne zu wissen, was damit anzufangen wäre.

23. Endlich geht es um Liebe

    Jetzt kommt übrigens die Liebesszene, sagte ich aufmunternd zu Olaf.
    Ah ja, er warf einen Blick auf die Seitenzahl, auf Seite 75. Das nennst du knackig mit einer Liebesszene

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