Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
und nun nicht mehr ausparkieren konnte, wiewohl das naheliegend wäre. Er hatte sich nicht einmal verirrt, er verirrte sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr, er kannte die Stadt wie seine Westentasche, sagte er gern.
    Also gar nicht, sagte dann Sydow, trägst du etwa je eine Weste?
    Guter Witz, sagte Stanjic. Hätt ich eine Weste, kennte ich die Stadt wie meine –
    Das ist kein Witz, sagte Sydow, das ist, wenn einer von Mode und Städten keine Ahnung hat. Das nennt man Drama. Da hilft einem der Konjunktiv auch nicht weiter.
    Der Konjunktiv hilft einem immer weiter.
    Da hast du auch wieder recht.
     
    Hatte er damit recht? Wir werdens noch sehen. Stanjic behauptete, der Konjunktiv sei ein Naturgesetz, und Sydow konnte bei allem Grübeln nicht wirklich etwas dagegen einwenden. Aber Frederik war als Kind auch einmal auf den Kopf gefallen.
    Hatte Glaser mal gesagt.
    Ernsthaft? hatte Stanjic gefragt, er fand das nicht mal abwegig, bist du dabei gewesen?
    Nein, hatte Glaser gesagt. Aber es könnte sein.
     
    Stanjic hatte es einfach verbaselt, hatte den Termin vergessen, er hatte es vergeigt. Er saß im Grunewald, weil Sydows Oma hatte gesagt, dort seis schön, sie hatte gesagt, dort solle er hin, und er wollte ihr nicht das nächste Mal über den Weg laufen und ihr den Eindruck vermitteln, er sei nicht brav.
    Aber das war nur die eine Seite. Stanjic verbaselte und vergeigte und vergaß derzeit, weil er das Gefühl hatte, da ist was im Busch. Er merkte, etwas ballt sich zusammen. Aber er wusste nicht was.
    Es war nur so, dass er diese Sache mit Glaser nicht, auf die leichte Schulter nehmen konnte, nicht, dass er schon Genaueres hätte dazu sagen können, aber man könnte sagen: Sydow hatte noch nicht einmal Lunte gerochen und Stanjic hatte aber eine feinere Nase, hörte, aus einer noch fernen Zukunft, das Wetzen von Messern, er hörte einen atmen in einem zukünftigen Wald, er roch das Unheil und wusste einfach noch nicht, woher der Wind kam. Aber er merkte, es lag was verborgen in diesem Schlachten text von Glaser, und er las und versuchte zu verstehen.

33. Die Angst vor den Walküren

    Schlechtes Versteck , sagte Sydow derweil, da in der – was weiß ich, hinter dem Küken und Kater . Weißt du übrigens, er schnallte den Rucksack auf den Rücken und ging hinüber zum Sofa, setzte sich und lehnte sich zurück, dass die da wirklich lustig sind? Neulich komm ich hin, will was kaufen, nicht nur so die übliche Milch, die unvermeidliche Butter oder das gesunde Vitalbrot –
    Den apple a day –
    Ja, nein, genau: Neulich komm ich hin, denn ich will Zimt kaufen.
    Wofür willst du Zimt kaufen.
    Für – ist doch total egal, Zimtsterne. Apfelmus. Einen Kinderpunsch.
    Glaser schaute ihn mit großen Augen an, Kinderpunsch? Habe ich irgendwas verpasst? Lässt du jetzt Frau und Kinder nachkommen aus Anatolien?
    Ich habe dir schon hunderttausend Mal gesagt, dass die Sydows aus Pommern kommen, altes pommersches Geschlecht. Sydow, klingt das etwa türkisch? Pommern. Das ist jetzt Mecklenburg, oder Brandenburg. Wenn ich da mit hochfahre, mache ich bis zur Ankunft immer fest die Augen zu und verlasse das Haus nur bei Dämmerung, den Osten vertrage ich einfach nicht. In Anatolien habe ich meines Wissens keine Verwandten.
    Wollen wir da nicht mal hinfahren?
    Ich sagte doch gerade, ich habe da keine Verwan–
    Nach Pommern natürlich. Ich denke, ihr habt da ein Haus, ein Gutshaus.
    Meine Oma. Das heißt auch nicht mehr Pommern. Wie es übrigens, das nur am Rande, auch nicht mehr Nervenfieber heißt. Ich rede immer ganz selbstverständlich von Nervenfieber, er hat ein Nervenfieber, sie litt an einem schlimmen Nervenfieber, beklommen fühlte ich das schlimme Nervenfieber in mir aufkeimen, wieder hatte ihn das alte Nervenfieber überfallen. Ich sage das, weil in der Brandneuen Neuesten Literatur , die ich studiere, gerne und oft an Nervenfieber gelitten wird, eine Krankheit, die heutzutage anscheinend ausgestorben ist. Als ich neulich ganz vertraulich meinem Arzt davon berichtete, von meiner schlimmen Befürchtung nämlich, selbst womöglich an einem Nervenfieber zu leiden, sagte er, ich läse die falschen Bücher.
    Falsche Bücher?, fragte ich erstaunt, wobei es mir aber sofort einleuchtete, falsche Bücher? Kann man davon ein Nervenfieber bekommen?
    Typhus, sagte er, bei Nervenfieber handele es sich in der Regel um Typhus. Käme bei uns praktisch nicht mehr vor. Es sei eine Krankheit mit ihren Wurzeln in mangelnder Hygiene. Ob meine

Weitere Kostenlose Bücher