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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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die Uhr, fast drei, eigentlich könnte David gleich das Teegebäck mitliefern.
    Er legte die Blätter weg und stieg aus dem Auto. Die Sonne schien, es war ein später und milder und schöner Herbst, Beeren, Milch und irden, das ganze Paket der alltäglichen naiven Poesie, goldenes Licht.
    Er überquerte die Straße und setzte sich ans Wasser. Nachdenken konnte man das vielleicht nicht unbedingt nennen, aber er driftete zumindest zwischen den Gedanken. Worum es da ging? In diesem, tja, Erguss? Schwer zu sagen. Womöglich war es doch etwas Theoretisches, Kunst ist ein weites Feld, Maria und Josef, die Heilige Familie, vielleicht war es eine Art Erörterung, vielleicht was für einen Kunstkatalog, ach, keine Ahnung.
    Was keine Ahnung, Stanjic hatte sich neben ihn ins Gras fallen lassen, streckte sich aus und schloss die Augen.
    Sydow lehnte sich zurück, stützte sich auf die Ellbogen und schaute ins Wasser, das ist krudes Zeug, vermutlich für einen Kunstkatalog, mir ist das zu anstrengend.
    Was soll das für ein Katalog sein, Stanjic hatte die Beine übereinandergeschlagen und legte sich den Arm über die Augen, nein nein, ich habe da ein ganz ungutes Gefühl. Es geht um eine geplante Vergewaltigung, das läuft doch nicht mehr unter Kunst.
    Dann eben nicht Kunst, sondern ein Exposé, für einen seiner Filme. Die sind auch eine Art Vergewaltigung. Nicht, dass ich sie mir ansehen würde, aber du hast es am eigenen Leib erlebt, du bist ein wirkliches Opfer. Im Übrigen sind das nur Worte, don’t panic.
    Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, sagte Stanjic hartnäckig.
    Meine Güte, bist du hartnäckig, was soll das bitte heißen.
    Gesagt, getan, heißt das meiner Meinung nach, gedacht und gesagt und getan, dann sieht die Sache schon anders aus, oder? Wenn ich denke, dass solche Worte ganz fleischig werden und unter uns wohnen –
    Glaub mir, im besten Fall werden sie zu Filmen und du musst sie dir niemals ansehen, außer du trittst irgendeinem Verein bei. Lass gut sein, David, du siehst Gespenster.
     
    Ich habe übrigens diesen Schlachten text vorliegen – als ich David Stanjic von dem geplanten Buchprojekt erzählte, war er so freundlich, ihn mir zu überlassen. Genau genommen gehört er ihm ja nicht, aber auch Simon Glaser und Katharina hatten nichts gegen meine weitere Verwendung. Kurzzeitig hatte ich damit geliebäugelt, ihn dem Buch beizulegen, aber mein Lektor hat das kurzerhand abgelehnt. Erstens, zweitens und drittens, zählte er mir Finger für Finger auf, ist das Buch sowieso schon viel zu dick, wenn ich bei der Vertretersitzung noch mit zusätzlichen 120 Seiten antanze, machen die mich platt. Viertens, sagte er und zeigte mir seine zehn ausgestreckten Finger, ist das viel zu verquastes Zeug, das vergrätzt uns den lieben Leser und –
    Schon klar, sagte ich, und räumte den Schlachten text wieder weg, dann fassen wir das halt zusammen.
    Genau, sagte er zufrieden und warf den Packen zum Altpapier.

29. Simon, der Mörder

    Dass jemand würde umgebracht werden, so was vermuteten sie nun wirklich nicht, nicht einmal David Stanjic, woher auch.
    Was Stanjic allerdings stutzig machte, waren die augenscheinlichen Parallelen zwischen dem Schlachten text und gewissen Details in Simon Glasers Leben.
     
    Und wie mach ich das jetzt?, fragte ich ratlos, wenn der liebe Leser den Text gar nicht vorliegen hat, wie soll er dann von den Parallelen wissen?
    Reicht doch, dass du sagst, da sind Parallelen, sagte meine Lektor, so im Detail interessiert das niemanden, Stanjic macht es stutzig, dass Glaser dem Protagonisten in dem Text aufs Haar gleicht, dass er dieselben bekloppten Dinge tut, dass er immer unheimlicher wird und klar wird, das ist ein Psycho.
    Okay, sagte ich, nicht ganz überzeugt, dann lasse ich das ab und zu so nebenbei einfließen.
    Ganz genau, ganz nebenbei.
     
    Stanjic und Sydow fanden einfach, Glaser mache gerade ein bisschen zu sehr auf heimlifeiss – Stanjic behauptete steif und fest, dies sei ein trefflicher Schweizer Ausdruck für sein Benehmen, er hatte ihn bei seinem Aufenthalt in Zürich gelernt, von Katharina. In dem Wort stecke sowohl heimlich als auch feiss, das heißt fett, sagte er leutselig zu Sydow, ich weiß, sagte der, ich meine, wer studiert hier Neue Deutsche Literatur und Mittelalterliche Minne , du oder ich.
    Es bedeutet, behauptete David Stanjic, jemand hat heimlich für sein eigenes Wohl gesorgt.
    Sieht ganz so aus, sagte Sydow. Vermutlich mit der hübschen

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