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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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an die Unvereinbarkeit von Kind und Beruf, ich dachte, Frau sein ist schwer, nein, habe ich feststellen müssen, ich denke nein.
    Dachte ichs mir doch, sagte mein Klassenlehrer, er schien erleichtert. Wir haben hier also eine unentschuldigte Absenz und eine Identitätskrise als Mann.
    Ich hatte damals schon Identitätskrisen, Mulmigkeiten und Identitätskrisen. Wallungen. Wegen der unentschuldigten Absenz, sagte mein Klassenlehrer, und der Identitätskrise erwarte ich bis nächste Woche eine fünfseitige Erörterung zum Thema Frau, rätselhaftes Wesen .
    Ich hatte mich dann vertieft mit den Mysterien der Frau auseinandergesetzt, Menstruationsbeschwerden, Laufmaschen, Kind und Beruf, dieses ganze Mysterium und wie Frauen es eigentlich schaffen, trotz dieser schier unüberwindlichen Schwierigkeiten, das Leben so bravourös zu meistern, wie sies geschafft haben, trotz alledem von den evolutionären Wogen nicht untergenudelt zu werden und abgeschafft zu werden. Wären sie nicht so robust, wären sie im evolutionären Gerangel längst untergegangen. Ich meine, die Evolutionstheorie, Charles Darwin, die Selektion, survival of the fittest , man muss ja schon sehr fit sein, nicht wahr, wenn man da als Gattung nicht aussterben will, die Säbelzahntiger, das Wollhaarmammut, ihre Fitness hat ganz einfach nicht ausgereicht. Man muss ungeheuere Kräfte lockermachen, diese ganzen Hürden im weiblichen Lebenskosmos zu überwinden, wären die Frauen zu schwach, wären sie schon längst ausgestorben.
    Immerhin, gab Sydow zu bedenken, sind bei den Mammuts und den Säbelzahntigern immer alle ausgestorben, Männer, Frauen, alle ausgestorben.
    Kann schon sein, bei den Menschen bin ich mir aber absolut nicht sicher, ob Männer und Frauen überhaupt der gleichen Art angehören. Ich bin einfach nicht sicher. Nach meinen umfassenden Studien zu Schulzeiten hat sich mein Verdacht, dass es sich bei Frauen und Männern einfach um zwei völlig verschiedene, miteinander im Grunde überhaupt nicht verwandte Arten zu tun hat, eher erhärtet.
    Erstaunlich. Und die Fortpflanzung?
    Keine Ahnung. Ein Mysterium wie Laufmaschen und Socken, die in der Wäschetrommel verschwinden, das Rätsel, wie man ein Spannbettlaken sinnvoll zusammenlegt, ohne dass es aussieht wie eine Allegorie der Hoffnungslosigkeit. Das alles sind Dinge, die sich vermutlich nie zufriedenstellend aufklären lassen. Vielleicht Selbstbestäubung. Oder wie bei den Schnecken. Schnecken schicken sich selbst kleine Liebespfeile voller Sämereien, rasen voraus und lassen sich davon treffen, fertig ist die Befruchtung.
    Bist du sicher? Das habe ich noch nie gehört, dass Schnecken so schnell sein sollten, oder sind die Pfeile so langsam?
    Man sollte sich damit abfinden, dass das Leben einfach geheimnisvoll ist. Und schwer. Das Leben, es ist eines der schwersten.
    Mein Leben ist eines der schwersten, sagte Sydow.
    Das Frauenleben ist eines der schwersten. Sie haben aber, so viel war mir nach der Erörterung klar, in der Evolution einfach immer den Kopf über Wasser. Ich muss sagen, es hat mich diese interessante Arbeit auch in meiner Identitätsfindung als Mann wirklich weitergebracht. Ich war danach ganz sicher, dass meine Schwierigkeiten keinesfalls von allfälligen Menstruationsbeschwerden herkommen, es waren typisch männliche Schwierigkeiten. Ich begründete meine schulischen Absenzen, mein notwendiges Fortbleiben vom Unterricht fortan beispielsweise mit dem männlichen Unvermögen des Multitasking.
    Früh aufstehen, anziehen, frühstücken, mit der Familie streiten, Pausenbrote schmieren, hastiges Schularbeitenerledigen, auf den Zug eilen, Small Talk, alten Leuten den Platz anbieten etc., das ist einfach zu viel für einen Mann. Ein Mann bleibt da besser im Bett, geht die Sache schön langsam an, erst Mal frühstücken. Mein Klassenlehrer hat das unkommentiert gelassen, mein Klassenlehrer war ein Biologe und er war ein Mann, er kannte das Leben der Männer, das harte Los der Biologie. Jaja, Mulmigkeit. Ein Frauenleiden. Hast du Menstruationsbeschwerden?
    Kann schon sein, Sydow nahm eine Johannisbeerrispe, hielt sie sich über den Kopf und pflückte sich mit den Lippen Beere für Beere herunter, es ist jedenfalls nicht auszuschließen.
    Was isst du denn da.
    Johannisbeeren, aber sind sauer.
    Iss doch Himbeeren.
    Ich habe keine Himbeeren.
    Schlimm.
    Ja, geht so, ich denke, ich komm drüber weg. Jedenfalls ist es nicht auszuschließen. Das mit den Menstruationsbeschwerden. Das ist, weil ich

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