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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Telefonierst du mit einem Telefon?
    Was denkst du denn.
    Simon? Sydow klemmte das Telefon zwischen Ohr und Schulter und stellte die Gießkanne unter den Wasserhahn, ließ sie volllaufen. Du klingst ganz komisch, rief er, ich weiß nicht, ob das –
    Schrei doch nicht so, sagte Stanjic.
    Ich muss!, rief Sydow über den Krawall in der Gießkanne, hier ist es tierisch laut, aber du klingst derart komisch, ich weiß nicht, ob das der verfremdende Effekt von dem gebrechlichen Telefonmimen ist, mit dem du hantierst, ich habe dir gesagt, das ist kein Telefon. Was es ist, weiß ich nicht, aber mit Sicherheit kein Telefon, er drehte den Wasserhahn zu, es ist –
    Frederik?
    Ja, hier ist Frederik, wer denn sonst, Sydow schleppte die Gießkanne auf den Balkon, begann die Pflanzen zu gießen. Die Gießkanne hatte die Form eines Schweins, ein kleines Ferkel mit fünf Liter Platz im Bauch, es trug eine karierte Latzhose und einen Humphrey-Bogart-Hut und man goss durch die kleine Schweineschnauze.
    Sydow duschte die Kapuzinerkresse, alles voller Blattläuse, es war ein Jammer. Hast du das Telefon unter dem Sofa hervorgelockt?, fragte er. Bist du dabei meinem Notenständer begegnet? Wie gehts ihm so. Will er wieder nach Hause kommen? Man munkelt, er habe sich als Wäschespinne zum Affen gemacht. Ich hörte, man nennt ihn nur mehr den Felix Krull der Energieversorgung, wurde vom Umspannwerksverband als Hochstapler entlarvt, gefälschte Papiere, gekämmte, nein, wie sagt man, geschnäuzte, ach Quatsch, frisierte Lebensläufe, getürkte Ausbildungszertifikate. Irgendwann ist die Sache aufgeflogen, auch ich wurde als potenzieller Strippenzieher in die Mangel genommen, konnte nur mit Mühe meinen Arsch retten. Sicher hält er sich nun verborgen, im Untergrund, unter deinem Sofa. Sicher ist es aufreibend, so allein unterwegs, sicher ist er einsam und sehnt sich nach meinen liebevollen Händen, nach einem Zuhause, sicher –
    Frederik.
    Simon? Sydow stellte das Schwein weg, schüttelte den Hörer, Gott, klingst du komisch, ich glaube, die Verbindung ist manipuliert, du klingst ungefähr wie meine Tante, wenn sie aus Afrika anruft.
    Du hast eine Tante in Afrika?
    Unsinn, was redest du denn, du müsstest jetzt sagen: Frederik. Du hast gar keine Tante in Afrika. Schon vergessen? Keine Tante in Afrika, Frederik, und du hast auch keine Frau. Das müsstest du sagen.
    Sydow setzte sich an den Balkontisch, legte die Beine hoch und schaute über die Brüstung, es war ein zauses Wetter, ein holländischer Himmel wie eine schlimme Frisur, auf Drama und Sturm gebürstet, am Himmel war scheints alles aufeinandergetürmt, was man am Himmel aufeinandertürmen konnte, viel wars nicht, Wolken, die aber: alle aufeinandergetürmt. Heute gibts sicher noch Sturm, sagte er, der Himmel sieht aus, als hätte wer alles in Fetzen gerupft und wühlte alles um und um.
    Wer denn?
    Der große Wettermacher wahrscheinlich.
    Der große Uhrmacher.
    Der große Vater.
    Der große Töpfer.
    Also gut: der Große oben. Aber lenk nicht ab. Der Große hat dir einen Fachbereich zugeteilt, eine eindeutig definierte Aufgabe. Wenn du, sagte Sydow, auf einmal anfängst, deine Rolle nach Belieben zu variieren, kriege ich Identitätskrisen, Wallungen und leide an Mulmigkeit.
    Das geht nicht, sagte Stanjic, Mulmigkeit ist ein typisches Frauenleiden, das geht nur in Kombination mit Menstruationsbeschwerden. Ich weiß das, weil einmal mein Klassenlehrer mich diesbezüglich belehrte, als ich mit Mulmigkeit meine Absenzen begründete. Mulmigkeit, sagte mein Klassenlehrer, geht gar nicht. Mein Klassenlehrer war Biologe, ein Biologe muss das wissen, nicht wahr? Mulmigkeit ist eine Nebenerscheinung von Menstruationsbeschwerden, sagte mein Klassenlehrer. Haben Sie Menstruationsbeschwerden?
    Sydow zog die Obstschale zu sich heran und begann, Johannisbeeren einzuwerfen, das hat er dich ernsthaft gefragt?
    Ernsthaft. Um mich herum meine gesamte Klasse, alles schwieg, ich vermute: aus Betroffenheit. Ich schwieg auch, ich war nicht sicher: Hatte ich, da mir mulmig war, Menstruationsbeschwerden und hatte es nicht bemerkt?
    Eher nicht, oder, sagte der Klassenlehrer in meine Überlegungen hinein, sie haben eher keine Menstruationsbeschwerden, nicht wahr? Außer, gab er zu Bedenken, außer, Sie sind eine Frau. Sind Sie eine Frau?
    Ich hatte kurz überlegt. Ob sich die Sache lohnt. Nein, habe ich dann eingeräumt, ich dachte an die Menstruationsbeschwerden, lästige Laufmaschen in Strümpfen, ich dachte

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