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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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hier wieder ein Auwald hin. Seither wird jedes Jahr geflutet. Daher faulen die Eichen, die fällen sie hier reihenweise.
    Na ja. Der eine kommt, der andere geht, Eichen müssen weichen, Buchen sollst du suchen, Fichten werdens richten, Birken sollen wirken, in die Pfanne hau die Tanne.
    Lernst du so was im Studium Neue Deutsche Literatur?
    Das ist aus dem Seminar mittelalterliche Minne, sags durch die Blume, verstecks im Baum, seufz in den Wald, jedes Pflänzchen eine duftige Verheißung.
    Gibts sonst noch irgendeinen Grund, dass du mich besuchst? Ich meine, außer dass du mich vor Träumen warnst, mich mit Stabreimen beruhigst und mit dem Nikolaus drohst?
    Nö, sagte Sydow. Das wärs eigentlich.

59. Israel ist ein heißes Land

    So viel zum damaligen Abend, sagte Sydow.
    Er holte das Kuvert mit den Dias aus dem Bildband, da fehlen aber diese kleinen Plastikschaufenster, sagte er, zum hineinstecken.
    Die sind hier, waren im Koffer von dem Projektor, Stanjic holte ein paar kleine Häuslein aus einer Tüte.
    Und nun? Frederik Sydow hatte die leere Kaffeetasse weggestellt und setzte sich aufs Sofa, was, wenn Simon gleich nach Hause kommt?
    Glaub ich nicht, er hat sich fein gemacht, mit rasieren und Aftershave, der kommt so schnell nicht wieder. Wir schneiden uns jetzt die Dias zurecht und stecken sie in die kleinen Häuslein und schauen uns die Sache an.
    Und dann?
    Dann wissen wir mehr.
    Bist du sicher?
    Nein. Aber irgendwas werden wir dann schon wissen.
    Sie steckten die Dias in die Rahmen und warfen den Projektor an. Sydow zog die Vorhänge zu, hängte ein gerahmtes Bild mit drei nackten, tanzenden Grazien ab und richtete den Lichtkegel auf die leere Wand. Sie schauten sich die Sache an.
    Das, sagte David Stanjic, er starrte auf die Bilder, das ist –
    In Israel, wenn du mich fragst, Sydow schaltete weiter, meine Oma hat da mal eine Pilgerfahrt mitgemacht und mir hinterher hunderttausend Fotos gezeigt. Überall war das Heilige Land und dazwischen winkende Senioren, Frauen mit Frisuren wie Tropenhelme, die Männer krebsrot, der Pfarrer in verschiedenen Stadien der Trunkenheit. Er ist ein Trunkenbold. Meine Oma sah ihn einmal volltrunken mit seinem kleinen Auto wendend einen Gartenzaun umfahren. Daraufhin zur Rede gestellt, behauptete er, der war schon immer so. Ich meine, er ist ein Pfarrer, eine Zaunlatte liegt noch auf dem Kofferraum und er sagt, das war hier schon immer so. So viel zum Pfarrer meiner Oma.
    Das, sagte er mit fachmännischem Blick auf die Dias, ist der See Genezareth, da wette ich drauf, das ist ein absolutes must, wenn man ins Heilige Land reist, und da, Jerusalem, die Via Dolorosa, die Grabeskirche. Bloß die Leute kenne ich alle nicht, irgendeine Reisegruppe, nehme ich an, eindeutig keine Senioren.
    Aber ich, sagte Stanjic.
    Sydow schaltete weiter, du kennst die? Woher denn.
    Stopp!, rief Stanjic, er ging vor zur Wand, das da, sagte er, er deutete auf eine Frau, sie trug ein blaues Kleid, trat gerade aus einem Zelt und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Das da, sagte David Stanjic, er drehte sich zu Sydow herum, ist Katharina.

60. Der Auftritt des Schnösels

    Was für eine Katharina.
    Aus Zürich. Bei der ich gewohnt habe.
    Die Freundin von einer Freundin?
    Eine ehemalige Studienkollegin von Simon. Sie haben zusammen studiert, Kunst, Neue Medien, irgend so was.
    Sydow hatte weitergeschaltet, komisch, dass Simon die Dias von ihr hierhat, das hätte er auch von meiner Oma haben können, mit dem Bonusmaterial Pfarrer. Ah ja: der Ölberg, mit dem Garten Getse–
    Stopp, rief Stanjic, er zeigte auf die Wand, siehst du?
    Ja, sagte Sydow, das ist so eine Aussichtsplattform, oberhalb vom jüdischen Friedhof, da hat man eine prima Aussicht, hat meine Oma gesagt.
    Das meine ich doch nicht, Stanjic zeigte auf Katharina, hier ist Katharina, sagte er, und hier, der Mann neben ihr, was macht er?
    Er umarmt sie, das ist vermutlich ihr Freund.
    Er umarmt sie von hinten und hat eine Hand auf ihrem Bauch.
    Darf er doch, wenn er ihr Freund ist.
    Die Sache ist: Das ist haargenau wie in dem Schlachten text.
    Fängst du schon wieder damit an.
    Frederik, ganz genau so. In dem Text sitzt Josef – also der Josef von Maria und Josef – bei den Nachbarn, schaut sich einen Diavortrag an, langweilt sich.
    Das kenne ich, bei mir war es immer die Serengeti.
    Dann langweilt er sich plötzlich nicht mehr, und warum? Weil er inmitten der Leute, mit denen er nichts zu schaffen hat, eine erkennt. Und

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