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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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zuckte zweifelnd die Achseln, der, der immer trödelte, übernahm den Platz vom Handballer.
    Immer dieses Getrödel, sagte die Mutter.
    Immer dieses Getrödel, wiederholte ein Kind, es baute sich im Püree einen See aus Bratensaft.
    Kümmer dich um deinen eigenen Kram, sagte der andere, schöpfte sich den Teller voll.
    Kümmer dich um deinen eigenen Kram, wiederholte das Kind.
    Du sollst dich, er hob drohend die Gabel, um deinen eigenen Scheiß kümmern!
    Du sollst dich, sagte das Kind, es haute begeistert mit dem Löffel in den See, um deinen eigenen Scheiß kümmern.
    Quatsch nicht immer alles nach, schrie er.
    Quatsch nicht immer alles –
    Schluss jetzt, rief die Mutter, Himmel Herrgott noch mal, sie begann zu essen.
    Das Telefon klingelte.
    Der Vater hielt einen Vortrag über Spülmaschinen und Zement.
    Vergiss nicht die Kartoffelstärke neulich, warf die Mutter ein.
    Der Vater erweiterte seinen Vortrag um Kartoffelstärke in der Badewanne, irgendein Witzbold hatte etliche Packungen Kartoffelstärke in die Badewanne geschüttet, einfach um zu sehen, was passiert, mit heißem Wasser aufgefüllt, der Vater sprach über Zement und Stärke –
    Die Gelatine, fügte die eine Schwester hinzu, einer trat ihr unterm Tisch gegens Schienbein, au, schrie sie, wer –
    Richtig, sagte der Vater, richtig, danke, die Gelatine neulich, er sprach über Zement, Stärke und über Gelatine und ihre eigentliche Verwendung, über die Schwierigkeit, eine Badewannenladung glasiger, aufgedunsener Stärkekügelchen zu entsorgen.
    Stimmt, murmelte die Mutter, die Gelatine im Aquarium. Irgendein Witzbold hatte –
    Das ist kein bisschen witzig, betonte der Vater.
    Die armen Fische, murmelte die Mutter, sie hatte, um die gelierte Masse herauszubekommen, das gesamte Aquarium auf den Kopf stellen müssen, die Fische, die Pflanzen, das Wasserrad aus Plastik, alles war erstarrt zu einer perversen Sülze, ein grotesker Wackelpudding, das war nicht nur nicht witzig, dozierte der Vater, das war –
    Aber es hörte eh keiner mehr zu, die Mutter, sicher, sie schon, vermutlich war sie es aber nicht gewesen.
    Unter ihnen schrie kläglich eine Katze, sie mochte nicht alleine sein. Die Mutter ging und machte dem Kranken einen Kartoffelpüreewickel.
    Was ist denn das, schrie er.
    Bist du krank oder nicht.
    Nicht so, schrie er.
    Dann komm runter und iss mit am Tisch.
    Also gut, sagte er, dann nehm ich den Wickel. Aber nachher liest du mir vor.
    Wir essen, sagte sie.
    Heulen, Schnäuzen, Jammern, die Mutter kam die Treppen wieder herunter, verzweifeltes Gemurmel … immer allein … denen scheißegal … sterben … keiner merken … überall Püree … hat sie jetzt davon …Wickel … schreckliche Wickel … nicht normal … lauter Verrückte … nie liest mir einer vor … Wickel …, es klingelte.
    War in einer Großfamilie eigentlich nie Ruhe? Vielleicht spät in der Nacht? Sicher war es nicht. Pubertierende pflegen abartige Schlaf- und Wachrhythmen, kletterten um vier Uhr früh ins Bett, taumelten dann um sieben in die Schule oder gingen gar nicht erst hin und brachten kuriose Entschuldigungen zum Unterschreiben, sie hörten bis in alle Puppen zu laute Musik oder entdeckten zu aller Leidwesen lautstark mit anderen Pubertierenden ihre Sexualität, irgendeiner pubertierte immer. Die Nächte, sie versprachen keineswegs ein Verschnaufen vom Wettlauf mit dem Tag, die Kleinen bekamen Zähne oder hatten schlecht geträumt, sie waren aufgewacht und hatten Durst und hatten gesehen, dass irgendeiner nicht in seinem Bett lag, sondern drüben bei den Eltern, drum waren sie auch gekommen. Im Elternbett wurde es eng, überall Kinder, dazwischen die Katze, sie fand es hier gemütlich, im Schlaf verfolgte sie eine Stubenfliege, tappte dem Vater andauernd ins Gesicht. Dieser träumte von einem badewannengroßen Gelee mit einer verblüfften Nachbarskatze darin, er träumte von großen Sülzen, diverse Kinder, Katzen und Kopffüßer darin verteilt wie Gemüsestücke, der Vater träumte von Gelees, Sülzen und Wackelpuddings in allen erdenklichen Formen, eine regelrechte Gelatineparty – Witzbold.
    Die Mutter fragte sich, während sie den Geräuschen von oben lauschte, ob Pubertierende eigentlich nie müde wurden, sie wurden es nicht. Sie fragte sich, ob sie an die Verhütung dachten, sie taten es manchmal.
    Stanjic dachte an diese Mutter an dem Abendbrottisch, sie rief ab und an: Ruhe im Karton oder Himmel, Arsch und Zwirn, aber niemand hörte sie. Er nahm an, der

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