Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
dir.
    Stanjic lachte, für eine Fleischpastete, sagte er.
    Zum Beispiel, Sydow verschwand im Zimmer, gute Idee.
    Stanjic dachte an Fleischpasteten und andere holländische Spezereien, ist gut, sagte er vor sich hin, während er den Rest der Treppe erklomm. Er dachte an diverse Stillleben, mit absolut ruhigem Gemüt. Ruhe und Unruhe, hohe Wogen und spiegelglattes Meer, alles wechselte sich ab, die Erregung flog einen an und flog wieder ab, er fühlte, er war ein Matrose, ein Seemann, er spürte, er war bereit für das aufregende Leben auf See, es war herrlich, er war glücklich.
    Er stieg weiter die Treppe hinauf, es roch gut, ihm war kalt, er war müde, er war glücklich, er war neu, alles war fantastisch. Er dachte versuchsweise weiter an Suppenterrinen und goldgelbe Apfelkuchen, er dachte an Schalen voller Kirschen und schwarze Brombeeren, an pralle Blutwürste auf blauem Porzellan. Es funktionierte tadellos. Er probierte, an Schenkel zu denken, an entblößte Rücken, keine Chance, nichts brachte ihn mehr aus der Fassung, er dachte: Pobacken, nichts passierte, Pobacken halt. Pobacken. Ein Wort wie viele andere auch. Ein Sachverhalt wie jeder andere, ob nun vor ihm auf dem Küchentisch eine Pobacke seiner harrte oder ein Stück Schweinskarree, es käme für ihn auf das Gleiche heraus, er war die Gelassenheit in Person, er war Zen, nichts störte seine Kreise, er war neu, er war glücklich, alles wogte auf und ab, er war ein Matrose, ein Seemann, ein Kapitän in zitronengelben Gummistiefeln, er hatte das Steuer fest in der Hand, seine Heimat war das Meer, seine Heimat, sein Leben, alles Streben. Er war beruhigt. Er war verliebt.

93. Auf dem Hühnerhof

    Sie waren nun auf dem Land und auf dem Land war es schöner als vermutet, schöner als befürchtet, wenn es nach Sydow ging. Er befürchtete jedes Mal, es sei auf dem Land nicht schön und nun gefiel es ihm hervorragend.
    So tätig und frischauf wie dieses Mal hatte er sich allerdings noch nie gebärdet, er hatte keine Ahnung, woran es lag. Es musste also an Katharina liegen, Frauen kehrten bei ihm immer die bezauberndsten Blüten des Aktionismus hervor. Dem Haus immerhin bekam seine neu gespeiste Manneskraft außerordentlich. Man hörte ihn morgens in aller Herrgottsfrühe mit Eimer und Wischmop die Flure feudeln – bis anhin war Mop ein Wort, das er sich, wie beispielsweise auch das gemeine Muffin, felsenfest weigerte, in den Mund zu nehmen, er fand es ordinär. Er hatte, um den Begriff, aber eben auch die Tätigkeit nicht zu unterstützen, bislang mit Putzlumpen und Wurzelbürste hantiert und entsprechende Cafés boykottiert. Plötzlich, so auf dem Land, wischmoppte er, dass es eine Pracht war, und backte zwei Dutzend Muffins.
    Muffins?, sagte Stanjic verwundert, er nahm ein Muffin in die Hand, ich dachte, du –
    Es war Zeit für eine Veränderung.
    Es war einfach Zeit für eine Veränderung. Darum bohnerte er und polierte und richtete die Zimmer ein.
    Zu diesem Behulf sammelte er alles, was in seinen Augen einen irgendwie dekorativen Charakter hatte, er zauberte es aus Schränken, zerrte es aus Kammern und Bodengelassen und verteilte es schließlich auf die diversen Räumlichkeiten, die zu Weihnachten dann der Unterbringung der Sydowmannschaft dienen würden.
    Er hatte es sich beispielsweise zur Aufgabe gemacht, die meisterhaften Kunstwerke, die sich mit Frauen im Weitesten und nackten Frauen im Konkreten auseinandersetzten, erst mal zu sichten und anschließend dafür zu sorgen, dass alle paar Meter eines davon zu hängen kam. Gleich David Stanjic fand er diese Sujets inspirierend – Freundschaft kann mitunter auf einem ganz hauchzarten gemeinsamen Nenner basieren.
    Es musste einer der vorherigen Hausbesitzer eine diesbezüglich ausgeprägte Vorliebe gehabt haben, immer wenn er vermutete, das Thema sei eigentlich ausgereizt, zog er eine neue Variante aus einer Lade, gerahmt und ungerahmt, in Tusche oder aquarelliert, in Blei gezeichnet oder mit Fingerfarben gepanscht, gewiss, es gab der Frauen viele, aber gerade so.
    Seis drum, er nagelte sie an die Wände. Er stellte sich vor, es müsse eine höchst verblüffende Wirkung erzeugen, sollte es ihm gelingen, einige Dutzend davon im großen Treppenaufgang zu befestigen.
    Kam man durch die Haustür in die Diele, führten rechts und links zwei Flure in die Seitenflügel, in der Mitte aber eröffnete sich einem eine grandiose Freitreppe, die sich auf einer ersten Ebene teilte und sich, spielerisch verjüngt, zu

Weitere Kostenlose Bücher