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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Schultern, noch ein Kissen? Bisschen Honig? Soll ich noch eine –
    Anna Snozzi hielt sie fest, tätschelte ihr die Hände und zog einen Stuhl nah zu sich heran, Frau Sydow setzte sich, weiterschwätzend. Vitamine … so wichtig … Margarine … isst kein Mensch mehr … und ein Lob der Suppe!
    Frederik! Den Sellerie!
    Sydow betrachtete entmutigt den Schwung Sellerieknollen und begann, Sellerie zu schälen, Sellerie grob zu würfeln, Leute gingen aus und ein, sie deckten den Tisch im Esszimmer, sie rührten in weiteren Töpfen und schnitten ein paar Brotlaibe in Scheiben, eine Tante Hildegard balancierte ein Tablett mit Käse über ihrem Kopf, toll.
    Ein Kind kroch unter dem Tisch herum, machte irgendwas an seinen Schuhen, vermutlich band es die Schnürsenkel zusammen, eine Freizeitgestaltung, so alt wie das Binden von Schuhen selbst.
    Er überlegte, wie alt wohl das Binden von Schuhen sein mochte. Er schälte einen weiteren Sellerie, er glaubte sich zu erinnern, dass zum Beispiel schon Ötzi, der Mann aus den Alpen, sein Schuhwerk mithilfe eines Schnürsenkels schloss. Er wusste wiederum nicht, ob auch mit einer Schlaufe. Womöglich mit der Superschlaufe, die er Stanjic ans Herz gelegt hatte. Womöglich aber auch nicht, womöglich war ihm genau das, ein dummer Schnürsenkel nämlich, der immer wieder aufging, zum Verhängnis geworden. Gemeinhin wurde ja angenommen, er sei, friedlich rastend und Brotzeit haltend (Sandwich vom Alpensteinbock), hinterrücks mit einem Pfeil erlegt worden. Genauso gut konnte es aber sein, dass er alle naselang diese vermaledeiten Schnürsenkel hatte zubinden müssen und derohalben natürlich nicht immer wachsam war, ähnlich wie bei David. An dem ihn observierenden David konnte Simon mühelos mehrfach vorbeispazieren, er hatte nichts gesehen, band gerade seine Schnürsenkel. Ötzi, ansonsten ein Topjäger, der schneller zieht als sein Schatten, kniete schon wieder fluchend über seinem Bärenfellschuh und zack, da hat es ihn erwischt.
    Sydow bewegte seine Füße hin und her, Tatsache, Schnürsenkel zusammengebunden. Ihm war alles gleich, seine Oma schwätzte immer noch, Vitamine, frische Luft –
    Aber der absolute Höhepunkt für ihn in der Ötzisache damals war, als die ersten Fotos von ihm in die Presse kamen – ich meine, dachte Sydow, ein Mann, der aussah wie ein Räucherspeck – und eine Dame aus dem Bayrischen dennoch steif und fest behauptete, es handele sich um ihren vor 12 Jahren in den Bergen verschollenen Mann – ein Blick auf den Speck, sofort erkannt! Na ja.
    Er bückte sich und knotete die Schnürsenkel auseinander, dann schnitt er Gemüse klein, es war sehr viel Gemüse und es sollte sehr klein sein, kleiner!, drohte ihm seine Oma noch einmal, sonst wird die Suppe nicht fein.
    Und Beine hochlegen, sagte sie, wieder zu Anna Snozzi gewandt, sie hatte wirklich Ausdauer, und gut sehen Sie aus! So gesund und –
    Jaja, sagte Sydow, und Butter macht die Wangen rot und Wolfgang? Er schüttete einen Wurf Selleriewürfel in den Topf, starrte Anna Snozzi an, was ist mit Wolfgang, was ist mit dem Kindsvater.
    Frederik –
    Was, Omi? Anna steht knapp vor der Niederkunft.
    Niederkunft!
    Ist doch so, du platzt doch schon aus allen Nähten, ich verstehe überhaupt nicht, wie du hinter dem Lenkrad Platz gehabt hast, ist das so ein Behindertenmobil? Wo man den Sitz ausschwenken kann und mit vergrößertem Sitzraum? Darf man in dem Zustand überhaupt noch ein Fahrzeug lenken? Nicht, oder. Ich finde das absolut fahrlässig, da kommst du mir nichts dir nichts hier angebraust, jeden Moment können die Wehen einsetzen und hier ist weit und breit kein Arzt, es –
    Frederik, es sind doch noch Wochen hin.
    Das glaubst du doch selbst nicht, willst du noch dicker werden? Ein so riesiges Kind kannst du doch niemals auf die Welt bringen, das zerreißt dich doch in tausend Stücke. Oder sind es zwei?
    Frederik, reiß dich zusammen! Anna sieht fabelhaft aus, fabelhaft sehen Sie aus, Anna, die roten Wangen, Frau Sydow ging hinüber zu ihrem Enkel, schaute in den Topf, und mach vorwärts mit dem Gemüse, wir wollen essen.
    Er nahm sich eine von den Karotten, säbelte sie klein, nein ernsthaft jetzt, du musst dich verrechnet haben, wenn du weiter so wächst, bist du in einem Monat so hoch wie breit, das ist doch nicht normal. Das Kind kann jeden Moment kommen, das Kind wird jeden Moment kommen, du hast schon den typisch gesenkten Bauch.
    Frederik!
    Ist doch wahr, Omi, schau hin, Sydow deutete mit

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