Schwätzen und Schlachten
freundlich wieder an Stanjic, so zum Essen gehen?
Stanjic folgte seinem Blick und betrachtete seine vermatschten Gummistiefel, er ging zurück unters Vordach, um sie auszuziehen.
Welche Frau überhaupt, sagte Anna Snozzi, sie hakte sich bei Frederik unter, sie gingen langsam durch die Diele, deine eigene Frau weilt in der Ferne? Du hast gar keine Frau, Frederik.
Danke, Anna, er tätschelte ihre Hand, dass du mich daran erinnerst. Wenn ich dich nicht hätte, als Memo und als Frau. Wozu in die Ferne schweifen, ich sags ja schon länger, wo das Glück so nahe weilt. Nicht einmal das Kind musste ich selbst machen, das ist unsere Gesellschaft, unsere Konsumgesellschaft. Ich muss nur über den Hof kommen und dich am Arm nehmen, schon habe ich Frau und Kind. Das Schlimme daran ist, dieselbe Gesellschaft ist auch eine Wegwerfgesellschaft, alles wirft sie weg, Brot, das bis zum Abend nicht verkauft wurde, eine Socke, die zu flicken keiner mehr eine Lust hat, die Frau, obwohl das Kind noch nicht einmal ganz durchgebacken ist. Hat Wolfgang dich weggeschmissen wie eine Bananenschale, ein Butterbrotpapier, hat er dich einfach fallen lassen?
Lass gut sein Frederik. Wolfgang kommt morgen nach, alles in Butter.
Wieso kommt er nach?
Er musste heute noch arbeiten.
Nein, wieso er nachkommt.
Und da dachte ich eben noch, du sorgst dich um mich.
Zuallererst sorge ich mich immer um mich und das ist auch gut so, weil um mich sorgt sich sonst anscheinend keiner. Morgen sitzen dann alle in trauter Zwietracht –
Zweisamkeit heißt das.
Zweisamkeit, meinetwegen, unterm Tannenbaum und nur ich muss wieder allein ins T-Shirt schnäuzen.
Sie hatten die Diele durchquert und waren den Flur entlanggegangen, David Stanjic wie ein Bauerntölpel immer hinterdrein. Anna Snozzi öffnete die Tür zum Speisezimmer.
Der Lärm war gigantisch. An die fünfzig Sydows, die echten und die im Herzen, groß und klein, die Hässlichen und die Schönen, die Klugen und die Blöden, hatten hier allerbeste Laune und reichten sich Schüsseln, Terrinen und Platten, jonglierten mit Besteck und Servietten und langten tüchtig zu, sie stemmten die Pokale und brachten gewitzte Trinksprüche aus, Auf die Zukunft! Zum Beispiel, bei prompter Kenntnisnahme von Anna Snozzis Bauch, einfach gewitzt.
Ich glaube, sagte Anna Snozzi laut über den Krach hinweg zu Sydow, zweisam ist morgen keiner, jede Wette.
Er hätte ihr beinah zugestimmt, aber sein Blick fiel auf David Stanjic, auf dieses glückliche Pfannkuchengesicht, das sich, als er Katharina Fitzwilliam in dem Getümmel ausmachte, noch weiter in die Breite zu ziehen schien. Doch, dachte er. Morgen gabs einen, der würde zweisam sein, da fuhr die Eisenbahn drüber.
David Stanjic würde mit Katharina unterm Lametta sitzen, ihr verliebt eine Christbaumkugel in die Flechten hängen und denken, sie seien von allen verlassen, aber zweisam in einer stillen Nacht, und wenn alle Sydows um sie herum schon Polonaise tanzten, weil die kannten da nichts.
Sie würden zweisam sein und er, Frederik Sydow, würde schon wieder auf ein langes Jahr ohne Frau zurückblicken und, so die Moiren nicht mal ein bisschen Gas gaben beim Handarbeiten, sprach nichts dafür, dass sich das in dem kommenden und langen Jahr so schnell ändern würde.
Er hätte sich gerne bemitleidet, aber dann schaute er wieder auf Stanjic, sah diesen bescheuerten Krapfenbub und folgte seinem Blick hinüber zu Katharina Fitzwilliam, die Stanjic unter der Tür entdeckt hatte und ihm zuwinkte. Zuwinkte und lächelte, dass einem alles Wachs werden wollte, innerlich natürlich, sie lächelte Stanjic zu sich herein und rückte auf der Bank ein Stück zur Seite, um ihm Platz zu machen. Sie sah glücklich aus, grinste wie ein – tja, Pfannkuchen, da hatten sich zwei gefunden.
Sydow schüttelte den Kopf, und weil er ein gutes Herz hatte, wurde er selbst ganz närrisch und fidel ob des vielen Glücks.
Er ging die lange Reihe der fröhlich Zechenden vorbei zu Simon Glaser, klopfte ihm auf die Schulter und er wandte sich um.
Freddy, sagte er, setz dich zu uns. Er legte die Hand auf den Rücken einer jungen Frau zu seiner Linken, kennst du schon Filine?
Nö, sagte Frederik Sydow, er gab ihr die Hand, grinste, aber kann man ja kennenlernen. Filine? Von der Versicherung?
Ja, sie lächelte und schüttelte ihm die Hand, Zusatzversicherung.
Ach so.
Nein! Reingefallen! So weit sind wir noch nicht. Zusatzversicherung! Sie glauben aber auch alles. Zusatzversicherung,
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