Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
Bäuerin auf dem Markt hätte mit entsetztem Blick ihre Kohlköpfe an den Busen gedrückt, als du wie ein Wahnsinniger auf sie zugerast seist.
    Das war einmal, weil ich den Rückwärtsgang verwechselt habe. Sonst lief alles wie am Schnürchen.
    Ja, meine Oma meinte bloß, sie frage sich, wo du eigentlich den Führerschein gemacht hast.
    In Österreich, da fahren alle so, sagte Stanjic.
    Das habe ich ihr auch gesagt, sie riet mir daraufhin, im Rahmen meiner Gesundheitsvorsorge dieses Land weiträumig zu umfluren.
    Das hätte ich dir auch sagen können.
    Ist ja auch egal, das hat sie auch gar nicht gesagt, ich wollte nur deine natürlichen Reflexe prüfen, ob du trotz der liebestypischen Blödheit noch zurechnungsfähig bist. Aber du springst eins a an, alles im grünen Bereich also.
    Sind wir so weit? Sydow setzte einem letzten Kind die Mütze auf, kontrollierte sämtliche Füße und Hände auf entsprechende Behältnisse, dann Abmarsch, Freunde!
    Er hob mit Stanjic zusammen ein Kind nach dem anderen in den Schlitten und packte ihnen die dicken Pelze über die Beine.
    Was ist denn das für ein Tier, fragte er, er strich über das Fell.
    Bär, sagte David.
    Von einem echten Bär, fragte ein Kind, wohnen die noch im Wald?
    Glaubt ihm nichts, sagte Sydow. David verwechselt eine Ratte mit einer Katze, er hat keine Ahnung von Viechern. Wenn ihm im Wald ein bärtiger Mann begegnet, rennt er schreiend weg und sagt, das Mammut sei zurück.
    Warum, fragte das Kind.
    Es gibt dafür zwei Gründe, erklärte Sydow. Einerseits, weil es David ist, David ist von Haus aus so. Andererseits, weil er noch dazu verliebt ist, da ist der Ofen dann ganz aus, er sieht alles in einem flauschigen Licht. Wenn ihm dann einer zu nahe kommt, kriegt er einen Heidenschreck und denkt ans Mammut. Das ist sein spezielles anthropologisches Erbe.
    Warum, fragte das Kind.
    Weil die Liebe ein seltsames Tier ist, kleines Kind, und du und deinesgleichen, ihr seid ihr Unterpfand. Und nun singen wir das Lied vom rotznasigen Reintier, auf drei, eins zwei drei!
    Rudolf das rotznasig Reintier, deideldidel-du-del-dei!
    Simon Glaser führte das Pony, Stanjic und Sydow gingen nebenher und Tante Hildegard winkte ihnen noch lange nach. Sie hatte Glaser geholfen, die Laternen am Schlitten anzuzünden, und sie gingen schaukelnd und gaukelnd in der sinkenden Dunkelheit, heute war Weihnachten, murmelte Frederik von Sydow, heute, wiederholte er mysteriös, war Weihnachten.

111. Ist Simon ein eiskalter Pokerspieler?

    Der Abend verlief in geordneten Bahnen. Es wurde ausgiebig getafelt –
    Gefressen, sagte Sydow, alles andere wäre euphemistisch.
    Seis wies will, es gab Lammbraten mit Kartoffeln und grünen Bohnen, diverse Vorspeisen, Zwischenspiele und Dessertschweinereien, ungelogen, sagte Sydow zu Glaser, er deutete auf ein konditorisches Wunderwerk, für diesen Kuchen wurden zwanzig Eier verbacken und ein voller Liter Sahne, von diesen Cremespeisen gar nicht zu reden. Galgant ist da mit Sicherheit nicht drin. Und der gute Dinkel auch nicht, wie sie das alles an Tante Hildegards strengem Blick vorbeigebacken haben, ist mir ein Rätsel.
    Dazu braucht es einfach ein starkes Ego, sagte Glaser.
    Was?
    Wie bitte heißt das. Ein starkes Ego. Würde David zumindest sagen.
    Ja, David vielleicht. Er würde das sagen und bedeutungsvoll auf meine hildegardtauglichen Plätzchen schielen und sagen, irgendwie schmecken die alle nach Nervenkeksen. Du hast mich schon erschreckt. David würde solche Gemeinheiten sagen, wenn er nicht Klügeres zu tun hätte. Das beweist übrigens nur wieder, dass Gemeinheit in der Regel aus Langeweile verübt wird. Ist dir langweilig.
    Ach nein, kann ich eigentlich nicht sagen, Simon Glaser schaute gemütvoll in die Menge, ich finde es durchaus amüsant hier.
    Amüsant?, fragte Sydow zweifelnd.
    Sicher, dachte er, wenn man so was witzig findet.
    Alles wie immer, sagte er, als Onkel Hinne, auf einem improvisierten Podest winterliche Poeme rezitierend, durch den Stuhl krachte, Roman Signer von Sydow, ein Onkel und Explosionskünstler aus den Alpen, eine mit Kaubonbons gefüllte Toilette sprengte und eine Frau ihrem Mann eine langte und du Sauhund rief.
    Wer sind die beiden, fragte Sydow. Er saß mit einer sortierten Platte Weihnachtsplätzchen auf dem Schoß im Schaukelstuhl, trug eine der zinnoberroten Mützen, die seine Großmutter für ihn, Stanjic und Glaser gestrickt hatte, und folgte mitsamt der restlichen im Salon verteilten Verwandtschaft

Weitere Kostenlose Bücher