Schwätzen und Schlachten
Gesicht war schneeweiß gewesen und zu Tode erschrocken.
Rundherum war alles in Betriebsamkeit ausgebrochen, es wurde nach einem Notarzt telefoniert, es wurde eine Decke herbeigeschafft, jemand versuchte die Wunde abzubinden und das Blut zu stillen, Onkel Jodok hatte sein Handgelenk umfasst und fühlte den Puls und Simon hatte sich neben den Mann gekniet und seine andere Hand gehalten und der Mann hatte ihn angeschaut und gesagt: Game over?
Katharina schob sich durch die Menge und setzte sich neben Simon in den Schnee, der Mann lächelte und sagte: gewonnen.
Dann schloss er die Augen und sagte nichts mehr und Onkel Jodok ließ die Hand sinken und sagte, vorbei.
120. Olaf hats nicht so mit der Eleganz. Oder mit der Literatur
Was ist denn das für ein modischer Quatsch, sagte mein Lektor, am besten von hinten anfangen , so was Dummes, man muss doch nicht zu solchen Mätzchen greifen und derartige Sperenzchen veranstalten und –
Schon gut, sagte ich hastig, wer weiß, was für Worte mit -chen er noch hervorkramen würde, darauf konnte ich getrost verzichten.
Ein anständiger Text, dozierte er, kommt ohne derlei Wippchen aus, der hat es nicht nötig, zu solchen –
Ja! Jajaja! Olaf! Ich! Tus! Nie! Wieder!
Bene, sagte er zufrieden.
Aber: Was also war vorher?
Vorher war es frühmorgens, der 26.12., Stefanitag, und von draußen tönte das Horn und rief zum Halali, draußen stand in der stockdunklen Finsternis Onkel Jodok fixfertig eingetütet in ein Jägerwams und mitsamt Gamsbart und Gamaschen und pustete froh ins Horn. Heute war die Stefanihatz und die Schweine sollten schon mal ihre Lauscheohren aufstellen und die Beine in die Hand nehmen.
Frederik hörte es tuten, in seinem Traum war er eben mit einem Schiff davongefahren, in eine schöne neue Welt, nach Amerika, zusammen mit Sigmund Freud. Sigmund Freud hatte ihm gerade einen intimen Traum erzählt und um seine Hilfe bei dessen Analyse gebeten, Jung hatte schon kläglich versagt und war drum von seinem Analytikerpapa über Bord geworfen worden.
Das Schiff tutete erneut, er setzte sich mit einem Ruck im Bett auf und er wusste, es fuhr kein Schiff und Amerika, Amerika gab es nicht. Vielmehr würde er heute in der untersten Charge als gemeines Fußvolk einem Schwein hinterdreinhetzen. Er würde durch verschneite Wälder rennen und sich in Gebüschen verheddern, er würde sich unter Ästen zu spät ducken und immer die volle Ladung Schnee in den Nacken kriegen, er würde denken, er sei der Sau dicht auf den Fersen und im nächsten Moment stünde sie vor ihm, keinen Meter entfernt und bereit zum Angriff. Und zu alledem müsste er die ganze Zeit über von höchster Wachsamkeit ganz anderer Sorte sein, er würde wissen, eine Stadt sucht einen Mörder, und dabei gab es zwei signifikante Unterschiede: Sie waren hier nur zu zweit, von den Voraussetzungen einer Stadtgründung also noch weit entfernt und von Mord konnte bisher keine Rede sein. Aber wozu grübeln, jeder Tote hatte irgendwann gelebt und jeder Mord hatte ein Davor, daran hielt er sich eisern fest.
Er wankte aus dem Bett und zog sich fröstelnd drei Pullover über, heute hatte niemand geheizt, sicher war Onkel Hinne anderweitig beschäftigt, ölte ein Gewehr oder stach mit einem Keksförmchen Gurkensandwichs zu Geweihen aus.
Als er aus seiner Zimmertür trat, traf er auf David und Katharina, sie waren ebenfalls gerade auf dem Weg nach unten, David sah immer noch aus, als würde er schlafen, es war immerhin halb drei gewesen, als sie letzte Nacht endlich ins Bett gekommen waren, das Unternehmen Messer hatte sich komplizierter gestaltet als geplant.
121. Die Muskatellertraube wird ein gutes Buch
Also gibt es ein noch vorherigeres Vorher, sagte Olaf trocken.
Ja, das habe ich erst jetzt eingeflochten, weil –
Schon gut. Es ist ja hier Hopfen und Malz verloren. Ich habe, sagte er, eine neue Liste angefertigt.
Nein!
Doch. Dos und Don’ts bei der Muskatellertraube.
Ich warf einen Blick auf die Liste. Unter den Dos stand ein Was, nämlich: Fasse dich kurz.
Die andere Spalte zog sich über mehrere Seiten, der letzte Punkt lautete: chronologisch vorgehen (üben! üben! üben!)
Sie waren also nächtens vor das blaue Zimmer geschlichen, Frederik hatte vorsorglich eine Kerze mitgenommen und flüsternd stritten sie darüber, wer eigentlich in diesem Zimmer nächtige.
Frederik sagte, Onkel Jodok, und sicher würde er schnarchen, kein Problem also, reinspaziert, Messer geholt, rausspaziert. Aber
Weitere Kostenlose Bücher