Schwätzen und Schlachten
wir haben allerhand Daten zusammengetragen und müssen daraus seine zukünftigen Schritte ermitteln, aus dem, was wir von ihm kennen, so, wie wir ihn einschätzen, pokert er. Er zielt in eine bestimmte Richtung und dabei fühlt er sich sehr überlegen und sehr schlau, er fühlt sich unangreifbar, er will einen Coup landen und scheint überzeugt, uns immer einen Tick voraus zu sein. Was wir nicht wissen, ist: Droht er nur, ist es ein Spiel und nur das, oder meint er es ernst, spielt er über den normalen Rahmen des Spiels hinaus.
Das hatten wir doch schon, sagte David, er hatte sich ins Fell gelegt, die Füße auf dem Brennholzkorb, wir haben gesagt: Es geht um einen Mord. Wir haben gesagt, wir nehmen es ernst.
Gut. Dann ist jetzt nur noch die Frage, wie wird er stattfinden und wie können wir ihn verhindern.
Nur noch, sagt er, murmelte David ins Fell, ein Klacks.
Das ist es wirklich, sagte Frederik, er zog David den Korb unter den Füßen weg, konzentrier dich noch für zehn Minuten und wir haben die Sache im Kasten, ich verspreche es dir.
David setzte sich auf, starrte auf das Kachelmuster, es erinnerte ihn an die Mosaike in der akkurat quadratischen Küche in einer Nacht in Zürich, es erinnerte ihn an die Fliesen in Glasers Küche, er fragte sich, ob es einen geheimen Zusammenhang gebe und wenn ja, warum. Es gab aber keinen geheimen Zusammenhang, dachte David verärgert, oder wenn doch, dann –
Wenn ich sagte, unterbrach ihn Frederik, Gabriel wurde durch dich ersetzt, so ist das natürlich von seiner, also Josephs, Perspektive aus gesehen. Es geht um Katharina, er hat seinen Fokus – aus welchen Gründen auch immer – auf sie gelegt, eine Art Besessenheit, würde ich sagen. Sie war mit Gabriel zusammen und womöglich schwanger – was davon nun Ausgeburten seiner Fantasie sind und was real, wissen wir nicht, aber in seinem Text verleitet ihn dieser Sachverhalt, der reale oder der imaginierte, zur Gewalttätigkeit. Dort richtet sie sich gegen das Kind, nicht eigentlich gegen Katharina. Ob auch gegen Gabriel – davon ist in dem Text nichts zu lesen.
Die Fliese Gabriel wandelte sich – immer aus seiner Sicht, sagte Frederik schnell, nicht, dass ich sagen wollte, du bist austauschbar oder für Katharina ist es egal oder so, aber für die Unbekannte X war sie mit Gabriel zusammen und jetzt ist sie mit dir zusammen, es ist eine andere Farbe, aber die Fliesenform bleibt sich gleich, du bist die Kachel neben Katharina.
Nun. Was ist neu? Verfolgt er etwa Katharina? Wir wissen es nicht genau. Aber er verfolgt dich, so viel ist sicher.
David schwieg, er empfand ihre gesammelten Indizien, das Kachelsystem und nun dieses höchst spekulative Gespräch als regelrechten Drahtseilakt, als ein Balancieren auf einem Wasserfass, er hatte die Sorge, dass sie hinterher, anstatt phänomenale Ergebnisse vorweisen zu können, von dannen zögen wie ein begossener –
Ich sehe, wie das Modul dich umtreibt, unterbrach ihn Frederik, hör auf damit, das zeugt von nichts als davon, dass du, wenns ernst wird, den Schwanz einziehst.
David sah haargenau den begossenen Pudel, wie er mit gesenktem Kopf und eingeklemmtem Schwanz Leine zog, er sah eine Hundemarke an seinem Hals, auf der stand: David.
Ich sage dir, was passieren wird. Frederik packte David am Nacken und schüttelte ihm die Flausen aus dem Kopf. Es wird hier passieren. Er weiß, wo wir sind. Er ist gekommen. Er hat das erste Mal dich und Katharina an einem Ort vereint, ich denke, hier und jetzt findet der Showdown statt. Und weißt du, wie wir wissen werden, wann es so weit ist?
Nein, weiß ich nicht.
Denk mal nach! Denk daran, dass er denkt, wir denken nicht. Für ihn sind wir Kacheln in seinem Spiel, er ist der Beweger. Er fühlt sich wie der große Uhrmacher, er denkt, er ist Gott.
Wer ist wie Gott, sagte David vor sich hin, wann war das gefallen?
Wie bitte?
Ach, keine Ahnung, irgendwas, was Onkel Dagobert mir mal erzählt hat, egal.
Auf jeden Fall, sagte Frederik: Je länger wir ihn in dem Glauben lassen, dass dem so ist, desto besser für uns.
Übertragung, Gegenübertragung, murmelte David vor sich hin, alles ist Psyche!
Was?
Wie –
Wie bitte?
Ach egal, ich kriege heute nichts mehr zusammen, mir scheint das alles höchst analytisch zu- und herzugehen, mir scheint, es geht um eine Intervention, um ein überraschendes Moment.
Exakt, sagte Frederik. Er hat uns haufenweise Fingerzeige gegeben, weil er sich daran weidet, dass wir blind und ohne Verstand
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