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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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sagte Sydow, er hatte die Beine über die Sofalehne gelegt, sprach aus dem Off, Jehudi ist tot.
    Wär er nicht tot, wär er gekommen.
    Ja, Konjunktiv ist eine prima Sache, Konjunktiv ist eine schönere Welt.
    Da konnte Stanjic nur von ganzem Herzen zustimmen, im Konjunktiv wär Jehudi Menuhin quietschfidel und säße in St. Gallen am Rosenberg, fachsimpelte über Löcher, die Dichte des Holzes und ließe den Herrgott einen guten Mann sein, er äße mit Stanjic eine St. Galler Bratwurst und weihte ihn in die geheimsten Geheimnisse seines Geigenspiels ein, im Konjunktiv wäre Österreich ein schönes Land und glücklich wär, wer dorten hauste, im Konjunktiv wäre Klara da, wo sie hingehörte, nämlich bei ihm, und das Leben wäre schön, sagte Stanjic, das Leben wäre so schön.
    Im Konjunktiv, sagte Sydow.
    Genau.
    Die Schweiz war ein Land des resoluten Indikativs und hatte löchermäßig nicht viel gebracht. Zweimal war er hingefahren und der Spezialist war viel zu beschäftigt. Das dritte Mal hatte er ihn aber abfangen können, hatte ihn mittags in der Trattoria Geppetto über einem Teller Spaghetti vongole gestellt und ihm seine Problematik erläutert, ihm sein verhunztes Cello gezeigt, er hatte zu dem Zeitpunkt die selbst fabrizierten Löcher schon mit Spachtelmasse schön zugespachtelt. Er wusste, der Spezialist arbeitet nicht mit feinen Bohrern, vielmehr mit spektakulären Schimmelkulturen, verpflanzte spezielle Pilze in den Hohlraum von Geigenkörpern, auf dass diese, vorsichtig fressend, die Dichte des Holzes minimierten. Es war quasi das Alternativprogramm zu der Geigenakupunktur und Stanjic schwenkte nun zum anderen Lager über. Er hatte das Land gewechselt, aber sein Cello pfiff immer noch aus dem letzten Loch, er wollte der Sache endlich ein Ende machen.
    Der Spezialist lauschte, die Hand mit der Gabel voller aufgerollter Nudeln in der Luft erstarrt, seinem Bericht, der Spezialist legte die Gabel weg und schob den Nudelteller beiseite, ihm war der Appetit gründlich vergangen. Er begutachtete mit großen Augen das malträtierte Objekt, der Spezialist schaute ihn an, wischte sich mit der Serviette über den Mund, die Stirn, den gesamten Spezialistenkopf, und dann begann der Spezialist zu lachen, wie Schweizer eigentlich nie lachen sollten, weil sie sind ein seriöses Volk.

19. Alkohol, Teufelszeug

    Ich glaube, sagte Stanjic, es ist ein Verrückter. Dem sind seine Schimmelpilze in den Kopf gekrabbelt, nagen an seinem Gehirn. Vermindern die Dichte, verstehst du? Der Spezialist hat gelacht, regelrecht monströs, infernalisch, er hat gelacht, scharlachrot im Gesicht, und hat überhaupt nicht mehr aufgehört. Ein Verrückter.
     
    Stanjic war unverrichteter Dinge wieder nach Zürich gefahren und wusste nicht recht weiter. Da war er nun in der Schweiz und die Schweiz war nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Österreich war ein Debakel, in Deutschland wars immerhin nicht so eng, die Schweiz aber, hatte er immer gedacht, die Schweiz und der Spezialist würden alles wieder ins Lot bringen, würden machen, dass das Qi wieder floss, im Cello und damit auch in ihm. Die Schweiz war, davon war er überzeugt, Feng-Shui-technisch top, es war ein reiches, ein glückliches Land, eine Insel der Seligen, irgendein Feng-Shui-Techniker hatte da einmal ganze Arbeit geleistet.
    In Zürich hing er sinnlos in Katharinas Wohnung herum und vertilgte unverschämte Mengen Kirschstengeli von Lindt & Sprüngli .
    Er hatte noch zwei Tage bis zum Zeitpunkt seiner gebuchten Rückreise und Katharina nahm ihm, als sich ob des Kirschs in den Stengeli schon eine gewisse Rührseligkeit und Weinerlichkeit im Zuge fortgeschrittener Angetrunkenheit einstellte, die Schachtel weg und schlug ihm vor, am morgigen Sonntag mit ihr auf den Uetliberg zu fahren.

20. Jetzt aber: der erste Film!

    Aber vorher noch der Film, sagte Stanjic, das ist wichtig. Ich schaute mir damals ein paar Wochen vorher bei Glaser einen Film an, der in eigenartigem Zusammenhang zu der Episode auf dem Uetliberg zu stehen scheint, als wäre es der Auftakt, die Ouvertüre zu dem eigentlichen Ereignis. Mit dem entscheidenden Nachteil, dass ich wieder einmal von nichts eine Ahnung hatte.
    Stanjic hatte sich was von dem Schokoladenkuchen von der Theke geholt und eine Kanne Kaffee, Kaffee? Er hob die Kanne hoch, aber Sydow winkte ab, da kriege ich schlechte Laune davon.
    Vom Kaffee? Das ist ja ganz was Neues, ich dachte, der muntert auf.
    Vom Geschirr, diese Tassen, die

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