Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
Vom Netzwerk:
erweckte und um diesen glücklichen Umstand zur Gänze auszuschöpfen, dachte er hurtig noch ein bisschen weiter. Er dachte, dass er Angst hatte. Er dachte, dass männlich sein schwierig ist, wenn man nicht weiß, wies geht, er dachte, dass Wollen etwas ist, das man können sollte, er dachte daran, dass es konträr stand zu seinem Gefühl der Passivität. Er dachte kreuz und quer herum.
    Mein Enkel ist Ihnen darin ja nicht unähnlich, sagte Frau Sydow.
    Stanjic überlegte, aber es gab nicht viel zu überlegen. Vermutlich war es eine Legitimationsgemeinschaft, Sydow legitimierte sich über Stanjic und vice versa.
    Die Heldenwanderung, sagte Onkel Dagobert, während er mit der Sahnespritze Kringel um die Kuchenstücke kringelte, ist schwieriger geworden, Mimi.
    Natürlich ist sie schwierig, wäre ja sonst keine Wanderung, sondern ein Spaziergang. Ob schwierig oder nicht, man kommt nicht darum herum. Gewandert werden muss. Immer rauf und runter. Das ist das Wandern.
    Und wenn es, fragte Stanjic, keine Berge gibt?
    Dummkopf, Berge gibt es immer, und wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, nicht wahr. Wenn Sie denken, Sie können immer schön flach wandeln, haben Sie sich geirrt. Das Leben ist keine Warteschlaufe.
    Stanjic sah sie erschrocken an, sprach sie von seinen Telefonaten mit der Auskunft?
    Raus aus der Warteschlaufe, sagte Frau Sydow, und rauf auf einen Berg. Oder aber, der Berg kommt zu Ihnen. Je älter Sie werden, desto schwieriger. Dieses Auf und Ab, am besten, man gewöhnt sich frühzeitig daran. Mut kann man lernen.
    Was kann man noch alles lernen, fragte Stanjic.
    Alles kann man lernen.
    Wie kann denn so ein Berg aussehen? Nur, damit ich ihn erkenne, wenn er kommt.
    Sie erkennen ihn schon. Im Idealfall kommt er als Frau zu Ihnen.
    Zu mir ist schon einmal eine Frau gekommen. Für einen Berg war sie aber ganz schön schnell wieder weg.
    Dann sind Sie nicht gut miteinander gewandert. Dafür braucht es Mut, Ausdauer und Hoffnung. Aber das Gute ist: Die Liebe hält all das bereit, sie beißt sich in den Schwanz. Sie ist die Anstrengung und die Belohnung zugleich, sie ist der Berg und die Bergfreude, der Aufstieg und das Glück auf dem Gipfel, das Runtersteigen und das erneute Erklimmen, und immer so weiter.
    Komm, Mimi, lass stecken. Lass den armen jungen Mann, er wird das schon hinkriegen.
    Sind Sie sicher, Onkel Dagobert.
    Ganz sicher.
    Warum sind Sie sicher.
    Weil du Humor hast, darum.
    Was hat das denn damit zu tun.
    Erzähle ich dir ein andermal. Komm, Mimi, Kundschaft.
    Die beiden gingen und versorgten die Massen mit Zwetschgenkuchen. Stanjic blieb sitzen, schaute ihnen zu, Anna Snozzi streunte mit den Kaffeekannen herum und schenkte nach.
    Er dachte an die Berge in seiner Heimat, in seinem Land, das das Alpenland genannt wird. Man sollte meinen, der Berg vor der Haustür ziehe quasi selbstverständlich nach sich, dass der, der die Haustür aufmacht, ein guter Wanderer ist, aber das war natürlich grober Unfug. Wer am Meer wohnt, ist nicht per Gesetz ein guter Schwimmer, im Gegenteil. Stanjic hatte einmal gelesen, Küstenbewohner fänden es traditionell absolut abartig, in Mußestunden ins Meer zu hüpfen, sozusagen in ihren Vorratsschrank. Das Meer war ein Arbeitsort, im besten Fall brachte man darauf nine to five seine Stunden rum, das wars.
    Mit den Bergen verhielt es sich nicht anders, man konnte die Kühe im Frühjahr hinaufscheuchen, sie auf den Wiesen verteilen, sie melken und was käsen und im Herbst wieder hinunterscheuchen, man konnte die Hänge sensen und Heu einholen. Nichts davon war auch nur ansatzweise erholsam, wieso sollte man in der kargen Freizeit noch freiwillig da hinaufrennen? Um wieder hinunterzurennen? Wieso?
    Kurzum, nur weil er aus dem Alpenland kam, war er nicht zwangsläufig ein guter Wanderer und ergo Mann.
    Er dachte, dass er und Klara keine guten Wanderfreunde gewesen waren. Er dachte, dass er einfach mitgewandert war, er dachte, dass das eine schlechte Voraussetzung war, wenn auch seine Wandergenossin keinen Mut hatte und keine Ausdauer, keinen Plan und vielleicht auch: keine Hoffnung.
    Solche Wanderungen waren recht eigentlich auch eher Spaziergänge, er gestand sich das nicht gerne ein, weil er dachte: Es war aber anstrengend wie eine Wanderung.
    Er war nach dem Spaziergang mit Klara erschöpft gewesen. Ohne die Gipfelfreuden, ohne alle Wanderfreude. Er war ein Einkaufswagen, den einer voller Einkäufe für den Grillabend in den Park geschoben und geleert und nutzlos

Weitere Kostenlose Bücher