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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Roßbacher
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Ausgabe würde beispielsweise über die Titanwurz berichtet, eine Pflanze aus dem Regenwald, die als die größte Blume der Welt galt, und über den Botanischen Garten in Berlin, der sich glücklich schätzte, ein solches Exemplar bei sich zu beherbergen.
    Die Titanwurz, würde es in einem Artikel heißen , blühte das letzte Mal vor 75 Jahren, doch jetzt, nachdem sie 17 Jahre lang die Kraft zum Blühen gesammelt hat, steht dieses ungewöhnliche Ereignis kurz bevor und die Öffnung des etwa zwei Meter hohen Blütenständers dürfte in etwa drei Wochen beginnen.
    Als Zeichen der Freundschaft, würde die Kanzlerin in einem Brief an ihren französischen Kollegen zu Protokoll geben, möchte ich Ihnen, lieber Freund, und Ihrem Land einen ganz besonderen Blumenstrauß überreichen.
    Zu dieser festlichen Übergabe würde ein Ton aus dem 639 Jahre dauernden Stück As slow as possible von John Cage ertönen, der eigentlich erst für den 5. Oktober 2013 vorgesehen war und zu Ehren Frankreichs nun vorgezogen wurde.
    Stanjic dachte noch ein bisschen an den Meisterdieb und seine Vorliebe für die niederländischen Maler, er dachte an die Titanwurz und die Relativität von Zeit, an John Cage und an, nun ja, die Relativität von Zeit.
    Es würde nicht mehr lange dauern, das spürte er. Er würde ein Wanderfreund werden, ein Mann, ein Held. Er würde einen Berg besteigen und sich der Aussicht erfreuen, er würde wieder hinuntermüssen und vom Tal aus hinaufschauen, kurz verschnaufen, er würde wieder losgehen. Er würde sich eine Frau nehmen, die ein Berg war und zugleich seine Wanderfreundin, Frauen können so was, Multitasking. Er würde das auch können, on the long und unterm Strich hatte er nichts davon, diese Qualitäten als unmännlich von sich zu weisen, sicher, es ersparte einem die Überarbeitung, bloß brachte er sich ums Lebendige, um Berg und Tal, er brachte sich damit um die Wunder der Natur, um die Wunder und um die Natur.
    Wollte er alt werden und sich irgendwann eingestehen, dass es die Feigheit war und die Angst, die ihn dirigiert hatten?
    Nö, dachte er, und nö denkt kein Österreicher.
    Dabei, resümierte Stanjic, sollte er das vielleicht öfter mal tun. Nö ist ein heiteres, ein zuversichtliches Nein, es ist, so verwunderlich das scheinen mag, ein positives Nein. Wollte er die Liebe verpassen und das Leben, live und everything eben, wollte er all die schwierigen und schönen Kalamitäten auslassen, die Überarbeitung und die Turbulenzen, das Multitasken und das Ganz-unten-Sein im Tal und eben auch das Hoch-oben-Sein am Berg? Nö.
    Er bestellte sich bei Anna Snozzi noch mehr Zwetschgenkuchen, mit Schlach!, rief er ausgelassen, sollten die Österreich sich doch ihren Obers in den Hintern schieben, in den Arsch schieben, murmelte er zufrieden vor sich hin, und dann noch einmal zum Mitschreiben: in – den – Arsch. Er las Zeitung und ließ Plauze Plauze sein, er ließ den Herrgott einen guten Mann sein.
    Frau Sydow kam, runzelte und stemmte, wollen Sie dick und fett werden, fragte sie, ließ das Fragezeichen weg, wollen Sie dick und fett werden, stellte sie fest.
    Er betrachtete sie, die gerunzelte Stirn, die Hände in die Hüften gestemmt, nö, sagte er guter Dinge, das Nö ist das Nein der guten Dinge. Und, seien wir ehrlich: Plauze sagt heute kein Mensch mehr, er würde Frederik fragen. Die Plauze starb aus.
    Wenn Sie weiterhin so viel Kuchen und Schlachsahne –
    Stanjic wusste, jetzt gings um die Wurst. Wollte er es in Sachen Autonomie und Unabhängigkeit je auf einen grünen Zweig bringen, musste er jetzt wacker seinen Mann stehen, er musste üben! Er fing am besten sofort damit an.
    – ist ein Irrtum, sagte Frau Sydow gerade, dass Frauen dicke Männer mögen. Es ist ein Gerücht, vermutlich in die Welt gesetzt von dicken Männern oder –
    Er verteilte die Sahne auf seinem Kuchenstück, steckte sich eine Gabel voll in den Mund, es war ein köstlicher Kuchen, mit Zwetschgen, und las in der Deutsch-Französischen Freundschaft interessiert einen Artikel über einen Ulmer Anwalt, verheiratet mit einer gebürtigen Elsässerin (siehe oben; sie hatte bestätigt, im Elsass nicht mehr so glücklich gewesen zu sein), einen Ulmer Anwalt also, ansässig in Paris ( Stadt der Liebe ), der, während er in der Warteschlaufe einer französischen Airline wartete, ein Buch las ( 200 Seiten ), einen Flammkuchen backte ( siehe Rezept ) und seinem Kind einen delikaten Schüttelvers beibrachte.
    Der Ulmer hatte insgesamt 15

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