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Schwanenschmaus im Porterhouse

Schwanenschmaus im Porterhouse

Titel: Schwanenschmaus im Porterhouse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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umklammern konnte. Er hielt einen Moment inne, ehe er mit einem letzten Ruck ein Knie auf die Mauer und einen Fuß unter die Spitzen brachte. Vorsichtig zog er sich hoch, schwang das andere Bein hinüber, fand Halt und sprang. Nach der weichen Landung in einem Blumenbeet rappelte er sich auf. Er wollte sich gerade den Weg unter den Buchen entlang entfernen, da bewegte sich etwas im Dunkeln, und eine Hand legte sich auf seine Schulter. Zipser reagierte rein instinktiv. Er schlug wild um sich und auf den Angreifer ein, und im nächsten Moment flog ein Bowlerhut durch die Luft, während Zipser unter Mißachtung der College-Vorschrift, daß nur Fellows den Rasen betreten dürfen, quer übers Gras auf den Neuen Hof zurannte. Auf dem Kiesweg hinter ihm lag schwer atmend Skullion, dessen dunkle Gestalt Zipser am Boden sah, als er durch das Tor in den Hof einbog und einen Blick über die Schulter warf. Dann war er im Aufgang O und stieg die Stufen zu seinen Zimmern hoch. Er schloß die Tür auf und stand schwer japsend im Finstern. Es mußte Skullion sein, das hatte ihm der Bowler verraten. Er hatte einen College-Pförtner tätlich angegriffen, ins Gesicht geschlagen und zu Boden geworfen. Er trat ans Fenster und spähte hinaus; erst jetzt ging ihm auf, daß er sich wie ein Trottel benommen hatte. Seine Fußabdrücke würden ihn verraten, Skullion brauchte ihnen nur bis zum Bull Tower zu folgen. Doch vom Pförtner war nichts zu sehen. Vielleicht lag er immer noch bewußtlos da draußen. Vielleicht hatte er ihn k.o. geschlagen. Zipser erschauerte angesichts dieses neuerlichen Hinweises auf seine irrationale Natur und deren furchtbare Auswirkungen auf die Menschheit. Sex und Gewalt, hatte die Referentin gesagt, seien die beiden für die leblose Zukunft der Welt verantwortlichen Faktoren, und nun verstand Zipser, was sie damit meinte.
    Jedenfalls konnte er Skullion nicht da draußen erfrieren lassen, er mußte ihm helfen, auch wenn es bedeutete, daß man ihn wegen »Angriffes auf einen College-Pförtner« relegieren würde, bevor seine Doktorarbeit über den Pumpernickel als Faktor in der Politik Westfalens im sechzehnten Jahrhundert abgeschlossen war. Er ging zur Tür und langsam die Treppe hinunter.
    Skullion erhob sich, hob seine Melone auf, wischte den Schnee ab und setzte sie auf. Weste und Jacke waren stellenweise voller Schnee, den er mit den Händen abklopfte. Sein rechtes Auge schwoll an. Der junge Scheißkerl hatte ihm ein mächtiges Veilchen verpaßt. »Werde langsam zu alt für diesen Beruf«, murmelte er; in seinem Kopf kämpften Wut und Respekt um die Vorherrschaft. »Aber den erwische ich noch.« Er folgte den Fußspuren über den Rasen und den Weg bis zum Tor in den Neuen Hof. Das Auge war mittlerweile so zugeschwollen, daß er mit ihm kaum etwas sehen konnte, aber Skullion dachte jetzt nicht an sein Auge. Er dachte auch nicht daran, den Missetäter zu fassen. Seine Gedanken schweiften zurück zu seiner Jugendzeit. »Was recht ist, muß recht bleiben. Wenn du sie nicht fangen kannst, kannst du sie auch nicht melden«, hatte ihm der alte Füller, der Oberpförtner von Porterhouse, gesagt, als er neu im College war, und was damals stimmte, stimmte auch heute noch. Am Tor bog er nach links und ging durch den Säulengang zum Pförtnerhaus und in sein Schlafzimmer. »Ein mächtiges Veilchen«, sagte er, als er im Spiegel hinter der Tür sein Auge betrachtete. Es könnte ein kleines Beefsteak vertragen. Am Morgen würde er sich aus der Collegeküche eins holen. Er zog seine Jacke aus und knöpfte gerade die Weste auf, als die Haustür geöffnet wurde. Skullion knöpfte die Weste wieder zu, zog die Jacke an und ging ins Büro.
    In der Tür zum Aufgang O beobachtete Zipser, wie Skullion den Hof in Richtung Säulengang überquerte. Na, wenigstens lag er nicht mehr im Schnee. Trotzdem konnte er, Zipser, jetzt nicht in sein Zimmer gehen, ohne etwas zu unternehmen. Er mußte nachsehen, ob mit Skullion alles in Ordnung war. Er ging durch den Hof und betrat das Pförtnerhaus. Es war leer, doch als er sich gerade umdrehen und in sein Zimmer gehen wollte, öffnete sich hinten im Raum eine Tür und Skullion tauchte auf. Sein rechtes Auge war blau angelaufen und geschwollen, und sein altes, geädertes Gesicht wirkte deformiert und schief. »Na?« fragte Skullion aus dem Mundwinkel. Das eine Auge schaute wütend auf Zipser.
    »Ich wollte mich bloß entschuldigen«, sagte Zipser verlegen. »Entschuldigen?« Skullion schien nicht zu

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