Schwanenschmaus im Porterhouse
Unterprivilegierten irgendwie zu unterstützen – »Aufbauzuschüsse« genannte Subventionen für die Mittelklasse eingeführt hatten. Seine Kampagne »Ein Badezimmer in jedem Heim« hatte ihm den Spitznamen »Soapy« und die Ritterwürde eingebracht, wohingegen seine Leistungen als Minister für Forschung und Entwicklung lediglich mit vorzeitiger Pensionierung und dem Rektorat von Porterhouse College belohnt worden waren. Das Ironische an seiner Ernennung war unter anderem, daß er sie eben der Einrichtung verdankte, die er am meisten verachtete, nämlich dem Königlichen Patronat; vielleicht hatte die Kenntnis dieser Tatsache ihm zu dem Entschluß verhelfen, seine Karriere als Initiator sozialer Veränderungen zu beenden, indem er den sozialen Charakter und die Traditionen seines alten Colleges von Grund auf umkrempelte. Dies und das Wissen, daß seine Berufung auf die massive Ablehnung fast aller Fellows gestoßen war. Nur der Kaplan hatte ihn freundlich aufgenommen, was aller Wahrscheinlichkeit nach daran lag, daß er taub war und Sir Godbers vollen Namen nicht verstanden hatte. Nein, sogar in seiner eigenen Einschätzung war er nur mangels anderer geeigneter Kandidaten Rektor geworden, und weil die Fellows sich nicht untereinander geeinigt und einen neuen Rektor gewählt hatten. Auch hatte der verblichene Rektor versäumt, auf dem Totenbett seinen Nachfolger zu benennen – ein Privileg, das ihm nach alter Porterhouse-Tradition zustand; da diese beiden Auswege wegfielen, hatte sich der Premierminister, dessen Regierung in den letzten Zuckungen lag, von einem Klotz am Bein befreit und Sir Godber ernannt. Wenn auch nicht in akademischen, so doch in parlamentarischen Kreisen war diese Ernennung erleichtert begrüßt worden. »Endlich etwas, in das Sie sich so richtig verbeißen können«, hatte ein Kabinettskollege zu dem neuen Rektor gesagt, was sich weniger auf die ausgezeichnete Küche als auf den tief verwurzelten Konservativismus des Colleges bezog. In dieser Hinsicht war Porterhouse einzigartig. Was das Festhalten an alten Traditionen betrifft, kann kein anderes College in Cambridge Porterhouse das Wasser reichen, und bis auf den heutigen Tag zeichnen sich die Mitglieder von Porterhouse durch den Schnitt ihrer Mäntel und Haare und durch ihr standhaftes Festhalten an Talaren aus. »Bauernburschen beim Stadtausflug« und »Der Landmann drückt die Schulbank« hatten die anderen Colleges in der guten alten Zeit gelästert, ein Spott, der auch heute noch nicht gänzlich unbegründet ist. Den typischen Porterhouse-Studenten zeichnet, außer auf akademischem Gebiet, solides Selbstvertrauen aus, und kaum ein Jahr vergeht, in dem Porterhouse nicht das traditionelle Wettrudern gewinnt. Und doch ist dieses College keineswegs reich. Im Gegensatz zu fast allen anderen Colleges kann Porterhouse auf nur wenige Vermögenswerte zurückgreifen. Mit nichts als ein paar Reihen baufälliger Häuser, einigen Farmen in Radnorshire sowie einer Handvoll Aktien heruntergewirtschafter Betriebe ist Porterhouse arm zu nennen. Seine jährlichen Einkünfte belaufen sich auf weniger als 50 000 Pfund, und dieser Mittellosigkeit verdankt es seinen dauerhaften Ruf als das gesellschaftlich exklusivste College von Cambridge. Während Porterhouse arm ist, sind seine Studenten reich. Im Gegensatz zu anderen Colleges, die Erstsemester mit herausragenden wissenschaftlichen Leistungen bevorzugen, schlägt Porterhouse den demokratischeren Weg ein, ignoriert ein die Ungleichheit zementierendes intellektuelles Niveau und konzentriert sich statt dessen auf offenkundig vorhandene Reichtümer. Dives in Omnia lautet der Wahlspruch dieses Colleges, den die Fellows wörtlich nehmen, wenn es gilt, die Kandidaten unter die Lupe zu nehmen. Als Gegenleistung bietet das College gesellschaftliches Prestige und eine beneidenswerte Verpflegung. Zwar existieren ein paar Stipendien und Fördermittel, die man an Leute verteilen muß, deren Talente nicht gleichbedeutend mit Vermögen sind, doch wer sich hält, den zieren bald die Kennzeichen eines echten Porterhouse- Mannes.
Den Rektor ließ die Erinnerung an seine eigene Zeit als Student auch heute noch erschaudern. Der Stipendiat Sir Godber, damals schlicht G. Evans, war von einem Gymnasium in Brierley nach Porterhouse gekommen. Diese Erfahrung hatte ihn gründlich geprägt. Von seiner Ankunft her blieb ihm das Gefühl, gesellschaftlich minderwertig zu sein, das, mehr als jedes Talent, der Motor seines Ehrgeizes
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