Schwartz, S: Blutseelen 1: Amalia
wimmern.
Es gab Tage, da bekam er nicht genug, da bereitete es ihm Freude, wenn sie später nicht einmal mehr sitzen konnte.
Wieder sagte er etwas. Wieder hörte sie die Stimme nicht. Das Bild verwischte und ging über in eine andere Szene. Sie wusste, sie waren noch im selben Haus: einem Anwesen. Sie holte etwas aus einer Kammer – Nahrungsmittel, ja, Eier – als seine Hände sie hart packten und herumwirbelten. Die Eier fielen zu Boden, Eigelb und Eiweiß ergossen sich als hässlicher Fleck auf dem Holz, die zerbrochenen Schalen ragten auf wie dunkle Ruinen.
Er riss ihren Rock hoch, rückte sie mit dem Rücken gegen die Wand, packte ihre Beine, spreizte die Schenkel und stieß in sie. Seine goldgrünen Augen raubten ihr jeden Laut. Sie wollte schreien, doch kein Ton verließ ihren Mund. Er nahm sie heftig, trieb sie weiter und weiter und dann … dann war auch dieses Bild verschwunden und sie stand in einem ganz anderen Raum an einem ganz und gar anderen Ort. Umgeben von fünf Männern, die um sie herum knieten. Eine Götzenfigur aus Stein ragte neben ihr auf und vor ihr saß eine Katze, in deren rotgoldene Augen sie starrte. Eine Katze, die ihre Seele verschlang, um sie auf eine Reise zu schicken. Irgendwo schrie eine Frau.
Das Bild der Kammer kehrte zurück. Die Eier am Boden. Ihre lautlosen Schreie drohten sie zu ersticken. Ihr Körper glühte in einem verzehrenden Fieber, das heißer war, als sie es ertrug. Sie wand sich in seinem Griff und versuchte, ihm zu entkommen, doch er hielt sie unerbittlich fest. Sein Becken stieß gegen ihres. Er drang tief und immer tiefer in sie. Seine Stöße machten die Hitze zu einer Qual. Sie verbrannte, während er sie nahm. Lodernde Flammen hüllten sie ein und doch spürte sie die nahende Erlösung. Obwohl sie es nicht wollte, breitete sich die Lust wie Wellen in ihr aus. Es waren Wellen aus roter Glut, die sie wimmern ließen. Sie kämpfte gegen ihre Schreie an und verlor. Sein Blick war spöttisch, als sie laut und heftig kam, punktgenau von ihm dorthin dirigiert. Ihre Finger krallten sich in die Haut seiner Schultern, die kalt und hart war, wie Marmor. Sie wusste, dass er nicht aufhören würde. Seine Ausdauer kannte keine Grenze. Sie würde kommen, betteln, flehen, dass er aufhörte – und wieder kommen. So oft und so lange, wie er es wünschte.
Schweißnass wachte Amalia auf. Ihre Schenkel zitterten. Sie fühlte noch das Nachbeben des Orgasmus, der im Schlaf über sie gekommen war. Während sie dem dumpfen Pochen zwischen ihren Beinen und dem ihrem Herzschlag folgenden Pulsieren in ihrer Klitoris nachhorchte, betastete sie ihr vor Scham erhitztes Gesicht. Ihre Hände fühlten sich angenehm kühl an. Was für ein Traum. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass sie allein in ihrem Bett lag. Die goldgelbe Hoteldecke mit der Kristalllampe über ihr war ein vertrautes Stück Alltag. Langsam beruhigte sich ihr Atem und auch das Flattern in ihrem Körper ließ nach.
Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum sie immer diese Träume hatte.
Sie griff zu ihrer Scham und spürte die Feuchte, die an ihren Schenkeln klebte und den Stoff der Unterhose durchtränkt hatte.
Schon verschwammen die Traumszenen. Sie wurden zu einzelnen Bildern, dann zu Fetzen, die im Nebel untergingen und an Bedeutung verloren.
Sie schwang die Beine aus dem Bett und griff nach ihrem Handy. Es war kurz vor neun. Wieder einmal hatte sie es geschafft, nur wenige Minuten vor dem Klingeln ihres Handy-Weckers aufzuwachen. Gut gelaunt suchte sie sich ein Lied aus und schaltete die Musik ihres Handys ein. Der Klang war mäßig, aber sie liebte Musik und hörte lieber welche in schlechter Qualität, als überhaupt keine. Die melodischen Töne holten sie endgültig in die Realität zurück. Sie war nicht in Frankreich, auf irgendeinem Anwesen, sondern in Leipzig auf dem Wave Gotik Treffen. Sie freute sich, dass sie sich die Zeit für das Festival gegönnt hatte, sie hatte die letzte Zeit viel gearbeitet und musste unbedingt mal raus.
Zufrieden lächelnd sah sie sich in dem geräumigen Hotelzimmer um. Das schwarze Bett stand auf einem Laminatboden, zwei Spiegel und ein Druck Lyonel Feiningers von 1954 mit dem lyrischen Namen „Die entschwundene Stunde“ hingen an den Wänden. Das Bild Feiningers zeigte eine verwaschene Häuserfront in Blautönen und setzte sich gut von der warmen gelben Wand ab. Es gab einen Fernseher auf einem schwarzen Sideboard, einen runden Tisch mit zwei filigranen Stühlen und
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