Schwartz, S: Blutseelen 2: Aurelius
Seine Stimme war verachtend, während er die leeren Pistolen zu Boden warf.
„Du konntest mich früher nicht besiegen, Wölfchen, und du kannst es auch an diesem Tag nicht. Geh zur Seite und gib den Weg frei.“
„Niemals!“ Kamira sprang erneut. Wieder bewegten sich beide so schnell, dass es Amalia nicht möglich war, mit Blicken zu folgen.
Kamira musste bereits getroffen sein. Amalia merkte verblüfft, dass sie das Blut riechen konnte, das aus mehreren Wunden strömte und das weiße Fell benetzte. Ihre Umwandlung zum Vampir schritt voran. Würde sie daran sterben, falls sie nicht in diesem Hochhaus ihr Ende fand?
Aurelius trat und schlug auf Kamira ein, die ihrerseits nach ihm biss. Immer wieder wich er ihr geschickt aus, bis sich die Wölfin mit einem weiten Satz von ihm löste und über Amalia sprang.
„Du bist gekommen, um sie zu retten“, knurrte die Wölfin drohend, während der Geruch ihres Blutes Amalia fast besinnungslos machte. „Aber ich werde es nicht zulassen.“ Sie riss den Rachen auf, ihre spitzen Zähne versprachen einen schnellen Tod.
„Nein!“ Aurelius blieb wie angewurzelt stehen. „Hör zu, ich weiß, was du willst. Es geht dir doch nur um Gabriel!“
Kamira hielt inne und sah mit glühenden Augen zu ihm hin.
Amalia spürte und roch das Blut, das aus zwei Einschusslöchern aus Kamiras Brust floss und auf ihre Kleidung tropfte.
„Gabriel“, knurrte die Wölfin. „Du hast ihn umgebracht.“
„Er war wahnsinnig.“ Aurelius kam langsam näher. „Aber wenn du willst, kannst du mich töten. Alles, was ich verlange, ist, dass du Amalia in Sicherheit bringst. Bitte.“
„Nein!“ Amalia zerrte erneut an den Stricken. „Nein, tu das nicht! Lieber sterbe ich!“ Er durfte nicht für sie sterben. Nein, nein, nein. Nicht er.
Kamira sah von Aurelius zu ihr, dann wieder zu ihm. „Du bist bereit, dich für einen Menschen zu opfern? Für ein Geschöpf wie sie?“
„Ich liebe sie“, sagte Aurelius fest.
Kamiras Stimme war spöttisch, aber auch ungläubig. „Was sagt dein Klan dazu?“
„Ich habe keinen Klan mehr.“
Kamiras Augen weiteten sich. Ihr Blick glitt zu der Hand, an der Aurelius keinen Siegelring mehr trug. „Du würdest es wirklich tun. Ich kann es spüren. Du meinst es tatsächlich ernst.“
„Bitte“, wiederholte Aurelius erneut, „wir haben wenig Zeit. In zwei Minuten geht hier alles hoch. Schaff Amalia aus der Garage raus, und ich bleibe und werde sterben. Ist es nicht das, was du wolltest? Die Antwort auf all deine Wünsche und Hoffnungen?“
„Nein!“ Amalia strampelte, konnte aber auch die Beinfesseln nicht lockern. „Tu das nicht! Rene weiß, wo Laira ist! Du musst sie aufhalten.“
Kamiras Gesicht war nachdenklich. „Ich dachte immer, Vampire könnten nicht lieben.“ Sie seufzte leise und trat von Amalia zurück. „Gabriel hat mich geliebt, bis er die Umwandlungen nicht mehr ertrug. Ja, er war wahnsinnig. Er hat so viele getötet. So viele junge Frauen. So viele Knaben.“ Sie sah auf, und ihr Blick traf den von Aurelius. „Bring du sie fort. Ich bin müde.“
Mit diesen Worten wandte sich die Werwölfin ab und ließ ihren blutenden Körper auf den grauen Boden sinken, als wolle sie schlafen. Sie wandte den Kopf ab, der weiße Wolfsschwanz lag zwischen ihren Hinterläufen. Reglos verharrte sie.
Amalia begriff nicht, was geschah. Sie spürte den harten Ruck, als Aurelius sie nach oben riss. Er zögerte keine Sekunde, während sie noch versuchte zu ergründen, ob das alles wirklich geschah.
Ihre Fesseln wurden zerrissen. In nächsten Moment lag sie in Aurelius' Armen und flog durch die Schatten, hin zum Licht.
Ein beängstigendes Grollen erklang, ein Geräusch, als würde über ihnen die Apokalypse beginnen. Explosionen zerrissen die Stille. Plötzlich geriet die Tiefgarage um sie herum ins Wanken. Gewaltige Erschütterungen waren zu spüren. Risse zeigten sich in den Wänden.
Amalia schloss die Augen und presste sich eng an Aurelius. Sie erreichten das rettende Licht, und er rannte weiter, immer weiter fort, während die Welt hinter ihnen zusammenstürzte.
Sie schmeckte Staub, ihre Ohren waren taub. Blinzelnd sah sie zurück. Hinter ihnen stürzte das zehnstöckige Gebäude in sich zusammen. Aurelius trug sie über einen grauen Betonplatz, fort von dem einsackenden Gebäude, das mit Donnern und Grollen unterging. Er sprang über eine Mauer, setzte sicher auf der anderen Straßenseite auf und lief mehrere Hundert Meter, ehe er stehen
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