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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Wetterschachte in der Grube in Verbindung stehen müsse.
    Das Seil sank tiefer. Rings herrschte vollständige Finsterniß, vollkommene Ruhe. Wenn irgend ein lebendes Wesen in dieser geheimnißvollen und tiefen Schlucht Zuflucht gesucht hatte, so war es entweder nicht mehr anwesend oder verrieth seine Gegenwart wenigstens nicht durch die leiseste Bewegung.
    Je tiefer er hinabkam, desto mißtrauischer ward Harry; er zog deshalb das Messer aus dem Gürtel und hielt es in der rechten Hand zur etwaigen Abwehr bereit.
    In einer Tiefe von hundertachtzig Fuß fühlte Harry, daß er den Boden erreicht habe; die Spannung des Seiles ließ nach und dasselbe wurde von oben nicht weiter nachgelassen.
    Harry athmete einen Augenblick auf. Elue Befürchtung, der er sich nicht erwehren konnte, daß nämlich das Seil über ihm durchschnitten werden könne, hatte sich nicht erfüllt. Er hatte übrigens nirgends in der Schachtwand irgend eine Aushöhlung bemerkt, in der sich ein lebendes Wesen hätte verbergen können.
    Der unterste Theil des Schachtes lief wieder ziemlich eng zusammen.
    Harry löste seine Lampe aus dem Gürtel und leuchtete damit auf dem Grunde umher. Seine vorige Annahme hatte ihn nicht getäuscht.
    In einem tiefen Kohlenflötze zog sich ein enger, mehr schlauchähnlicher Gang hin, so daß man sich bücken mußte, um in denselben zu gelangen, und nur auf Händen und Füßen darin weiter fortkriechen konnte.
    Harry wollte sich über den Verlauf dieses engen Stollens unterrichten und sehen, ob er später vielleicht wieder in eine erweiterte Höhle mündete
    Er streckte sich auf den Erdboden aus und begann zu kriechen: aber plötzlich sperrte ihm ein Hinderniß den Weg.
    Dem Gefühle nach urtheilte er, daß dieses Hinderniß in einem menschlichen Körper bestand, der den Gang fast verschloß.
    Harry wich zuerst entsetzt zurück, kroch dann aber doch wieder vorwärts.
    Er hatte sich nicht geirrt; es war in der That ein menschlicher Körper, der hier im Wege lag. Er überzeugte sich durch das Gefühl, daß derselbe, wenn auch eisig an den Extremitäten, doch noch nicht völlig erkaltet war.
    Ihn zu sich heran zu ziehen, nach dem Grunde des Schachtes zu bringen und dort zu beleuchten, das war bei Harry schneller ausgeführt, als wir es hier erzählen.
    »Ein Kind!« rief er erstaunt.
    Das in diesem Abgrunde aufgefundene Kind lebte zwar noch, seine Athmung war aber so schwach, daß Harry jeden Augenblick dessen Tod befürchtete. Er mußte das arme Wesen also schleunigst mit nach der Schachtmündung hinauf nehmen und nach der Cottage bringen, um es der Pflege seiner Mutter anzuvertrauen.
    Harry vergaß alles Uebrige, befestigte das Seil an seinem Gürtel, band auch die Lampe daran, faßte das Kind, welches er mit dem linken Arm an sich drückte, so daß er die bewaffnete rechte Hand frei behielt, und gab das verabredete Zeichen, um sich hinaufziehen zu lassen.
     

    »Ein Kind!« rief Harry erstaunt. (S. 127.)
     
    Das Seil ward bald wieder straff und das Aufsteigen begann.
    Mit verdoppelter Aufmerksamkeit blickte Harry rund um sich. Jetzt drohte eine mögliche Gefahr ja nicht mehr ihm allein.
    Während der ersten Minuten dieser Fahrt nach oben ging Alles nach Wunsch und kein Unfall schien ihm zu drohen, als er plötzlich eine heftigere Luftbewegung wahrnahm, die von dem Grunde des Schachtes ausgehen mußte. Er sah unter sich und bemerkte bald im Halbdunkel einen sich nach und nach emporschwingenden Körper, der ihn im Vorüberschweben streifte.
    Es war ein ungeheurer Vogel, dessen Art er nicht erkennen konnte und der mit mächtigem Flügelschlage emporstieg.
    Das furchtbare beflügelte Thier hielt an, schwebte einen Augenblick in ein und derselben Höhe hin und stieß dann wüthend auf Harry nieder.
    Harry konnte nur von seinem rechten Arme Gebrauch machen, um die Schläge des gewaltigen Schnabels dieses Thieres abzuwehren.
    Er vertheidigte sich jedoch nach Kräften und suchte da bei das Kind so gut wie möglich zu schützen. Die Angriffe des Vogels galten aber auch gar nicht dem Kinde, sondern ihm allein. Durch die Drehungen des Seiles behindert, gelang es ihm auch nicht, jenen tödtlich zu treffen.
    Der Kampf zog sich in die Länge. Harry rief aus Leibeskräften, in der Hoffnung, oben gehört zu werden.
     

    Harry suchte das Kind so gut als möglich zu schützen. (S. 129.)
     
    Es geschah, was er hoffte, das Seil stieg schneller mit ihm empor.
    Noch lag eine Strecke von etwa achtzig Fuß vor ihm. Da gab der Vogel seine

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