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Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wahrlich nicht mehr und könnten sogar noch schlechter sein.
    – Du magst Recht haben, Harry, erwiderte der Ingenieur, doch was sollen wir dagegen thun? Offenbar benutzen die Bösewichte, welche in der Grube ihr Wesen treiben, diesen Tunnel als Verbindungsgang zur Oberwelt. Sie sind es ohne Zweifel, welche während jener stürmischen Nacht mit Fackeln in den Händen die »Motala« anzulocken wußten, deren Wracktrümmer sie sich, ganz wie die ehemaligen Strandräuber, zugeeignet hätten, wenn ihnen Jack Ryan und seine Genossen nicht hinderlich gewesen wären. Doch jedenfalls erklärt sich hiermit Alles. Hier ist der Eingang zur Räuberhöhle, und die Frage ist nur, ob die früheren Insassen sie auch heute noch bewohnen.
    – Gewiß, denn Nell erzittert stets, wenn man hiervon etwas erwähnt, erwiderte Harry zuversichtlich. Gewiß, da Nell hierüber niemals zu sprechen wagt!«
    Harry konnte wohl Recht haben. Wenn die räthselhaften Bewohner der Grube diese verlassen hatten oder vielleicht gar todt waren, welchen Grund hätte das junge Mädchen dann gehabt, bei ihrem Schweigen zu beharren?
    James Starr hielt es jedoch für unumgänglich nothwendig, dieses Geheimniß zu lüften. Er ahnte, daß die ganze Zukunft des großen Werkes davon abhängen könne. Man sorgte also auf’s Neue für die strengsten Vorsichtsmaßregeln. Die Behörden wurden benachrichtigt. Einige Beamte besetzten insgeheim die Ruinen von Dundonald-Castle. Harry selbst verbarg sich während mehrerer Nächte in dem Gebüsch, welches den Hügel bedeckte. Vergebliche Mühe! Man entdeckte nichts. Kein menschliches Wesen trat durch die Tunnelmündung heraus.
    Endlich brach sich die Ueberzeugung mehr und mehr Bahn, daß die Uebelthäter Neu-Abersoyte definitiv verlassen hätten und die zurückgelassene Nell als in der Tiefe jenes engen Schachtes umgekommen betrachteten. Vor Beginn des Abbaues konnte die Kohlengrube ihnen ein sicheres Versteck bieten, indem ihnen keine Nachsuchung drohte. Jetzt hatten sich die Verhältnisse vollkommen verändert. Ihr Lagerplatz wäre nur noch schwierig zu verheimlichen gewesen. Man hätte also vernünftiger Weise annehmen sollen, daß für die Zukunft nichts mehr zu fürchten sei. Dennoch konnte James Starr sich nicht vollkommen beruhigen. Auch Harry theilte diese Ansicht und sprach sich wiederholt darüber aus.
    »Nell steht offenbar mit diesem Geheimniß in Verbindung, sagte er. Wenn sie nichts mehr zu befürchten hätte, warum sollte sie noch länger schweigen? Ohne Zweifel fühlt sie sich bei uns glücklich und liebt uns Alle. Sie verehrt meine Mutter. Wenn sie über ihre Vergangenheit schweigt, über das, was uns wegen der Zukunft beruhigen könnte, so muß ein gewichtiges Geheimniß, welches zu entschleiern das Gewissen ihr verbietet, auf ihrer Seele lasten. Vielleicht glaubt sie sich auch mehr um unseres, als um ihres eigenen Besten willen in dieses unerklärliche Schweigen hüllen zu müssen.«
    In Folge ähnlicher Betrachtungen war man allgemein übereingekommen, im Gespräche Alles zu vermeiden, was das junge Mädchen an seine Vergangenheit erinnern könnte.
    Eines Tages wollte es jedoch der Zufall, daß Harry Nell mittheilte, wie viel James Starr, sein Vater, seine Mutter und er selbst ihrer uneigennützigen Hilfe zu verdanken glaubten.
    Es war ein Festtag. Ebenso wie auf der Oberfläche der Grafschaft feierten die fleißigen Arme heute auch in diesem unterirdischen Gebiete. Alle gingen ein wenig spazieren. An zwanzig verschiedenen Stellen ertönten fröhliche Gesänge unter den mächtigen Wölbungen von Neu-Abersoyte.
    Harry und Nell hatten die Cottage verlassen und folgten langsamen Schrittes dem linken Ufer des Malcolmsees. Dort leuchteten die elektrischen Strahlen minder heftig und brachen sich launenhaft an einigen pittoresken Felsen, welche den gewaltigen Dom stützten. Das Halbdunkel hier that Nell’s Augen wohl, die sich nur schwierig an das Licht gewöhnten.
    Nach einer Stunde Wegs blieben Harry und seine Begleiterin vor der Kapelle des heiligen Gilles auf einer natürlichen, die Gewässer des Sees beherrschenden Terrasse stehen.
    »Deine Augen sind noch nicht an das Licht des Tages gewöhnt, Nell, sagte Harry, und würden den hellen Schein der Sonne wohl kaum ertragen.
    – Gewiß nicht, Harry, erwiderte das junge Mädchen, wenn die Sonne so ist, wie Du sie mir beschrieben hast.
    – Ach Nell, fuhr Harry fort, mit Worten vermag ich Dir keine richtige Vorstellung von ihrem Glanze, noch von den

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