Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarz-Indien

Schwarz-Indien

Titel: Schwarz-Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
und von den Schultern fiel ihr ein »
rokelay
«, eine Art viereckige Mantille, welche die Schottinnen nicht ohne Grazie zu tragen verstehen.
    Nell hatte sich gelobt, die Bewegung ihres Innern zu bekämpfen Sie verbot ihrem Herzen, ungestüm zu schlagen, ihren Angstgefühlen, sie zu verrathen, und so gelang es dem muthigen Kinde, ruhig und gefaßt zu erscheinen.
    Sie erschien nur sehr einfach gekleidet, aber diese Einfachheit, welche sie jedem reicheren Schmucke vorgezogen hatte, verlieh ihr nur noch einen neuen Reiz. Ihr einziger Haarputz bestand in einem »
snood
«, einem buntfarbigen Bande, mit dem sich die jungen Caledonierinnen gern schmücken.
    Simon Ford trug einen Anzug, den Walter Scott’s würdiger Landvoigt Nichol Jarvie nicht verachtet hätte.
    Die ganze zahlreiche Gesellschaft strebte der prächtig geschmückten Kapelle St. Gilles zu.
    Am Himmel von Coal-City glänzten gleich Sonnen die heute von mächtigeren elektrischen Strömen ernährten Strahlenbündel. Ein Meer von Licht ergoß sich durch Neu-Abersoyte.
    Auch in der Kapelle verbreiteten die elektrischen Lampen eine außergewöhnliche Helligkeit, bei der die bunten Fensterscheiben wie feurige Kaleidoskope schimmerten.
    Der ehrwürdige Pfarrer William Hobson sollte die Trauung vornehmen. Er wartete an der Thüre der Kapelle der Ankunft der Brautleute.
     

    Bewaffnete Wächter wurden aufgestellt. (S. 197.)
     
    Der Zug nahte sich, nachdem er in feierlichem Schritte dem Ufer des Malcolmsees gefolgt war.
    In diesem Augenblicke ertönte die Orgel und die beiden Paare begaben sich, vom ehrwürdigen Hobson geführt, nach dem Hochaltar von St. Gilles.
    Erst erflehte der Priester den Segen des Himmels über die ganze Versammlung, dann blieben Harry und Nell allein stehen vor dem Diener des Herrn, der die heilige Schrift in der Hand hielt.
     

    Aufrecht in dem Fahrzeuge stand ein Greis in dunkler Mönchskutte. (202.)
     
    »Harry Ford, begann der Geistliche, wollen Sie Nell zu Ihrem Weibe nehmen und schwören Sie, ihr immerfort in treuer Liebe anzuhängen?
    – Ich schwöre es vor Gott dem Allmächtigen, antwortete der junge Mann mit fester Stimme.
    – Und Sie, Nell, fuhr der Seelsorger fort, wollen auch Sie Harry Ford zum Gatten erwählen und…«
    Die Formel war noch nicht zu Ende, als sich draußen ein furchtbares Getöse vernehmen ließ.
    Einer der gewaltigen auf den See überhängenden Felsen, etwa hundert Schritt von der Kapelle, hatte sich plötzlich ohne jede Explosion losgelöst, als sei dessen Fall schon vorher vorbereitet gewesen. Unter demselben stürzte sich das Wasser in einen tiefen Abgrund, dessen Vorhandensein bis jetzt Niemand gekannt hatte.
    Gleich darauf tauchte zwischen dem Steingeröll ein Boot auf, das eine kräftige Hand über das Wasser hintrieb.
    Aufrecht in dem Fahrzeuge stand ein Greis in dunkler Mönchskutte, mit struppigem Haare und langem, auf die Brust niederwallendem, weißem Barte.
    In der Hand hielt er eine Davy’sche Lampe, in welcher eine durch das umgebende Drahtgeflecht isolirte Flamme brannte.
    Gleichzeitig rief der Greis mit lauter Stimme.
    »Die Wetterluft! die Wetterluft! Tod Allen und Verderben!«
    Jetzt verbreitete sich auch der eigenthümliche Geruch des Kohlenstoff-Monocarbonates in der Luft.
    Es rührte das daher, daß durch den Felsensturz eine ungeheure, in sogenannte »Windtaschen« angesammelte Menge jenes explosiven Gases entwichen war. Früher hatte das überlagernde Gestein jene hermetisch abgeschlossen. Jetzt strömte das gefährliche Gas unter einem Drucke von vier bis fünf Atmosphären nach der Wölbung der Höhle.
    Der Greis kannte jene Windtaschen und hatte sie plötzlich geöffnet, um die Atmosphäre der Krypte in eine explodirbare Gasmischung zu verwandeln.
    James Starr und einige Andere verließen inzwischen die Kapelle und stürzten nach dem Seeufer.
    »Fort aus der Grube’ Um Gottes Willen fort!« rief der Ingenieur, der, als er die drohende Gefahr durchschaute, diesen Warnungsruf durch die Thüre der Kapelle sandte.
    »Die schlagenden Wetter! Die bösen Wetter!« wiederholte der Greis und trieb sein Boot weiter über den See.
    Harry drängte seine Braut, seinen Vater und seine Mutter aus der kleinen Kirche.
    »Fort aus der Grube! Schnell, schnell fort!« mahnte der Ingenieur nochmals.
    Es war zu spät zur Flucht! Der alte Silfax war da, bereit, seine letzte Drohung zu erfüllen und die Verbindung Nell’s und Harry’s dadurch zu verhindern, daß er sämmtliche Einwohner Coal-City’s

Weitere Kostenlose Bücher