Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Aufgabe der Bundeswehr ist demnach die Wahrung ökonomischer Interessen der Bundesrepublik außerhalb ihrer Grenzen. In Zukunft ist also davon auszugehen, dass bei Versorgungsproblemen der Bundesrepublik Deutschland die Bundeswehr sehr schnell weltweit ihre Eingreif-, Stabilisierungs- und Unterstützungskräfte zum Einsatz bringen wird, um im Sinne deutscher Wirtschaftsinteressen das Welthandelssystem offen, die Transportwege frei, die Rohstoffzufuhr gesichert und die Energieversorgung wettbewerbsfähig zu halten.
Es sei hier nur angemerkt, dass eine solche Haltung auch unter der schwarz-roten Großen Koalition konsensfähig war. Sicher wird sie unter Schwarz-Gelb noch unangefochtener als »alternativlos« vertreten werden können, da zumindest einige Abgeordnete der SPD sich grundsätzlich gegen die Zulässigkeit von Wirtschaftskriegen ausgesprochen haben. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass in diesem Punkt offensichtlich ein parteiübergreifender Konsens besteht, der bereits eine gewisse Kontinuität auch bei unterschiedlichen Regierungskonstellationen (Rot-Schwarz, Schwarz-Gelb) hat.
Es ist anzunehmen, dass die Sicherung der Warenströme (Bodenschätze, Energie, Transportwege) auch in gegenläufiger Fließrichtung dieser Logik folgt und keine Störung der Waren- oder Finanzströme in Richtung ausländischer Absatzmärkte, Investitionsstandpunkte oder Einflusszonen dulden wird.
Eigentlich sind Einsätze dieser Art vom Völkerrecht nicht mehr gedeckt, das lediglich zur Selbstverteidigung und bei einer Bedrohung des Weltfriedens Angriffe auf die Souveränität fremder Länder zulässt. Konsequent stellt sich deswegen das Weißbuch 2006 an die Seite derer, die die UNO -Statuten dahingehend reformieren wollen, dass ein militärischer Einsatz auch bei Verstößen gegen die »internationalen Normen« völkerrechtlich zulässig sein soll. Wer aber definiert, welche Normen international gültig sein sollen, wer legt fest, welche Strukturen notfalls durch einen Kriegseinsatz abzusichern sind?
2.3 Die deutsche Armee als internationale Eingreiftruppe?
Diese nicht nur von Deutschland aus betriebene – auch die USA , Kanada, Israel und Australien ziehen mit an diesem Strang – Umgestaltung einer eigentlich allen Ländern gleichwertig verpflichteten Weltinstitution wird der Öffentlichkeit inzwischen nicht mehr verborgen oder verschämt in verklausulierten Argumentationen verkauft. Die Bundesregierung sagt ganz offen: »Die einzigartige Bedeutung der Vereinten Nationen besteht darin, einen notwendig werdenden Einsatz militärischer Gewalt mit der völkerrechtlichen Legitimität zu versehen« ( Weißbuch 2006 in der Fassung vom 28. 4. 2006). – Und auch die Endfassung vom 25. 10. 2006 hat weiter die gleiche Stoßrichtung, wie folgendes Zitat (Unterkapitel »2.5. Vereinte Nationen«) zeigt: »Denn gerade, wenn es zum Einsatz militärischer Gewalt kommt, ist die völkerrechtliche Legitimation entscheidend.«
Und da Deutschland seinen Einfluss in einer solchen Institution natürlich gebührend wahrnehmen möchte, arbeiten seine Interessensvertreter seit Jahrzehnten hinter und neuerdings auch vor den Kulissen daran, »mit der Übernahme eines ständigen Sicherheitsratssitzes der Vereinten Nationen mehr Verantwortung zu übernehmen«. Einen weiteren Schritt in diese Richtung hat die Bundesregierung ja mit dem Mandat als nicht ständiges Mitglied des Sicherheitsrates für 2011 getan. Die angesprochene »Verantwortung« besteht aber wohl eher darin, dass man die Vereinten Nationen dazu nutzen möchte, deutsche Interessen weltweit stärker durchzusetzen – eben mit, durch die UNO völkerrechtlich legitimierter, Gewalt. Allerdings wird dies erst nach einer dafür notwendigen Änderung des momentan gültigen Völkerrechts möglich sein, augenblicklich kann die UNO beziehungsweise der Sicherheitsrat Kriege ausschließlich in zwei sehr eng definierten Ausnahmefällen legitimieren. Darauf wird am Ende dieses Kapitels noch genau einzugehen sein.
Als Mitglied der NATO möchte Deutschland konsequenterweise auch in dieser Institution eine zentrale Rolle spielen. »Nur Nationen mit einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie haben ein entsprechendes Gewicht bei Bündnisentscheidungen.« So lautet die Rechtfertigung für ein weiteres Ziel, das im Weißbuch 2006 formuliert wird: Auch innerhalb der NATO dürfen keine Entscheidungen fallen, die Deutschlands Interessen zuwiderlaufen könnten; aus diesem Grund wird die Rolle eines bei
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