Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
Vom Netzwerk:
viele Menschen zugegen seien, die zur Gefahr für alle anwesenden Deutschen werden könnten.
    Eine militärisch nachvollziehbare Entscheidung – aber auch eine rechtlich angemessene? Zweifellos bestand hier Pflicht zur Nothilfe und bei einer folgenden Eskalation auch ein Recht auf Notwehr. Damit hätte der Vorgesetzte gegen deutsches Recht verstoßen, das ihm zweifellos bekannt war. Hinterher erklärte er den Soldaten seine Entscheidung folgendermaßen: Man hätte zwar nach deutschem Recht einschreiten müssen, aber da die Bundeswehr in Afghanistan sei, um die afghanische Regierung zu unterstützen, müsse man auch die Durchsetzung der afghanischen Gesetze akzeptieren und respektieren. Und in der Scharia seien Stockschläge ein anerkanntes Strafmittel. Wir würden es ja wohl auch nicht akzeptieren, wenn Ausländer in Deutschland eine Gefangenenbefreiung durchführen würden mit der Rechtfertigung, Freiheitsberaubung sei eine aus ihrer Sicht inakzeptable Bestrafungsmethode. Deswegen müsse jeder einzelne deutsche Soldat auch afghanisches Recht respektieren, sonst bestehe die Gefahr, dass alle ausländischen Truppen von den Afghanen als Gesetzesbrecher eingestuft würden.
    Aus solchen übergeordneten Gesichtspunkten hat der Vorgesetzte im angeführten Beispiel eine absolut richtige Entscheidung getroffen. Trotzdem entstand durch diese formal korrekte Entscheidung für die anwesenden deutschen Soldaten ein Problem, mit dem sie niemals gerechnet hätten. Es waren Fernsehteams vor Ort, was in einem Konfliktgebiet nicht ungewöhnlich ist. Die Journalisten wurden ebenfalls durch den Menschenauflauf angezogen und filmten die ganze Szene inklusive der unterlassenen Nothilfe der deutschen Truppen. Die Bilder waren nicht nur im deutschen Fernsehen zu sehen. Der Leser wird sich vorstellen können, welche Überschriften und Kommentare die Folge waren. Im wirklichen Leben endete das angeführte Beispiel, das sich tatsächlich genau so abgespielt hat, mit der Bestrafung des deutschen Vorgesetzten wegen unterlassener Hilfeleistung – nur um die hoch brandenden Wellen der Empörung, ausgelöst durch die einseitige Berichterstattung, zu besänftigen. Ein Fehlurteil erster Güte, wenn auch aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände. Aber eines wird an diesem Vorfall deutlich: Selbst die Einhaltung aller Verhaltensmaßregeln, wie Schutz der eigenen Truppen und Respektieren der örtlichen Gesetze schützt nicht vor persönlicher Bestrafung, weil hier unterschiedliche Rechtsnormen zur Grundlage von Sanktionen gemacht werden können.
    Es ist also unübersehbar, in welchem Zwiespalt sich die Soldaten tagtäglich in Afghanistan befinden. Bleibt zu hoffen, dass sie darauf vorbereitet werden und mit einem von allen Seiten akzeptierten Verhaltenskodex das fremde Land betreten können. Unabdingbar ist die Vorbereitung auf eine islamisch geprägte Gesellschaft durch fundierte Kenntnisse darüber, was in dieser Gesellschaft als alltagstauglich gilt. Hier einige kurze Beispiele, was mit alltagstauglich gemeint ist.
    Landestypische Verhaltensweisen
    Gerne testen Afghanen Ausländer, inwieweit diese die ungeschriebenen Gesetze des Alltags respektieren: Fast überall auf der Welt legt man bei der Begrüßung eines schon besser bekannten Gegenübers die linke Hand auf dessen rechte Schulter, um besondere Herzlichkeit anzuzeigen, während man mit der rechten Hand seine rechte drückt. Nicht so in Afghanistan: Dort hätte man sein Gegenüber durch die Berührung mit der »unreinen« Hand beschmutzt. Als solche wird die linke Hand angesehen, denn sie säubert üblicherweise einen ebenfalls unreinen Körperteil, während die rechte Hand das Kännchen mit Wasser hält, welches zur Reinigung benutzt wird. Doch die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende, denn unser Beispiel sollte schon einen Bezug zu aggressivem Handeln oder gewalttätigen Auseinandersetzungen aufweisen, um zu Recht Eingang in dieses Buch zu finden. Wie würde wohl mein afghanisches Gegenüber auf die »Beschmutzung« reagieren, und wie sollte man besser auch selbst eine solche erlittene »Entehrung« erwidern, um respektiert zu werden? Darauf gibt es – ebenfalls im Unterschied zu deutschen Verhaltensregeln – nur eine mögliche Reaktion: mit der Ausübung von Gewalt! Man würde auf jeden Fall sein Gegenüber wegstoßen oder selbst einen Schlag abbekommen, um klarzustellen, dass gravierend gegen die guten Sitten verstoßen wurde. Zwar besteht nun die Gefahr, dass die

Weitere Kostenlose Bücher