Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
Abdruck einer vertraulichen militärischen Meldung, die dies exemplarisch zeigt.) Deshalb werden hier die Fakten aus diesem Geheimbericht zusammengefasst und für den Leser in verständliche Sprache übersetzt. Nur die kursiv gesetzten Sätze sind ergänzende Kommentare des Autors.
3. September 2009, 21.12 Uhr
Die Wachen des Feldlagers Kundus hören ein Feuergefecht aus Richtung Kundus. Im Feldlager Kundus gehen Informationen ein, dass INS (Insurgents = Aufständische, Widerständler, umgangssprachlich Taliban) zwei Treibstoff- LKW s entführt hätten. Die Absicht der INS wäre es nun, mit den beiden LKW s den Kundus-River über eine Furt zu verlassen.
3. September 2009, 22.00 Uhr
Ein speziell ausgebildeter Soldat überwacht den Kundus-River mit einer Drohne.
3. September 2009, 23.14 Uhr
Dieser Soldat meldet, dass er zwei Treibstoff- LKW s sowie siebzig INS bei dieser Furt über den Kundus-River aufgeklärt hat. Nach den ihm vorliegenden Beobachtungsergebnissen hat er den Eindruck, dass diese beiden Treibstoff- LKW s steckengeblieben sind. Nun kommt Oberst Klein dazu und schaut sich die Aufklärungsergebnisse an.
4. September 2009, 00.39 Uhr
Eingeteilte Soldaten erhalten den Auftrag, die Position eigener Soldaten festzustellen, um zu erfragen, ob sich eigene Teile in der Nähe dieser Furt befinden, da während des Zwischenfalls eigene Soldaten an anderer Stelle im Großraum Kundus operierten.
4. September 2009, 01.35 Uhr
Nachdem sichergestellt war, dass zivile Opfer auszuschließen sind, genehmigt Oberst Klein den Angriff durch amerikanische Luftfahrzeuge.
4. September 2009, 01.49 Uhr
F-15 E Kampfjet der US -Luftwaffe löst eine Bombe aus.
4. September 2009, 02.28 Uhr
Durch Aufklärungsmittel wird festgestellt, dass sechsundfünfzig INS KIA (gesichert) (= Killed In Action/gesicherte Information) getötet wurden. Elf INS sind nach Nordosten geflohen. Die zwei Treibstoff- LKW s wurden zerstört.
4. September 2009, 11.30 Uhr
Aus dem Feldlager Kundus sollen mit einer Schutzkompanie vorläufige Ermittler und zusätzliche Kräfte losgeschickt werden, um den Ort des Geschehens zu begutachten.
Von halb drei Uhr nachts bis zu diesem Eintrag vormittags halb zwölf Uhr – ganze neun Stunden lang – wurde also mit dieser Aktion gewartet. Der normale Ablauf wäre gewesen, dass man sofort nach der Aufklärung der Tanklaster eigene Aufklärungskräfte zum Ort des Geschehens befohlen hätte, um sich ein Lagebild zu verschaffen. Wenn dies aus personellen Gründen nicht möglich ist, muss man sich mit den vorhandenen Kräften einzig und allein der Lagersicherung widmen. Eine Entsendung von Soldaten an den Ort des Geschehens wäre zu diesem Zeitpunkt zu gefährlich und nicht vertretbar gewesen. Zumal eine Beweissicherung bei Nacht in dieser Region, nach so einem Zwischenfall, ein Himmelfahrtskommando gewesen wäre. Gleichwohl bleiben in diesem Zusammenhang Fragen offen, die sich das Einsatzkommando gefallen lassen muss: Warum etwa wurde nicht nach dem Einsatz ein Aufklärungsflug durch Drohnen vorgenommen? Gab es zum Zeitpunkt des Bombenabwurfs eine aktive Kommunikation mit den amerikanischen Einsatzkräften? Gab es sie unmittelbar danach? Gab es Erkenntnisse der anderen Streitkräfte?
4. September 2009, 11.34 Uhr
Eine Meldung erreicht das Feldlager, die besagt, dass hundert afghanische Polizisten vor Ort sind, um die Aufnahme der vorläufigen Ermittler plus der Schutzkompanie sicherzustellen. Die Absicht des Kommandeurs des Feldlagers Kundus (Oberst Klein) ist es nun, in unveränderter Gliederung so zeitig wie nötig abzumarschieren.
Bei afghanischen Polizisten handelt es sich nicht unbedingt um Ermittler. Westeuropäische Standards in Polizeiangelegenheiten greifen in Afghanistan nicht. Oft handelt es sich um Männer, die in einem vom Krieg zerrütteten armen Land keine zivile Perspektive für sich sehen und die Polizeiarbeit mehr aus Not denn aus Überzeugung leisten. Man muss deshalb immer damit rechnen, dass einige von diesen Kräften vor Ort auch dadurch in Erscheinung treten, dass sie alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Dies ist keine Verurteilung, sondern basiert auf Aussagen von erfahrenen Soldaten.
4. September 2009, 12.13 Uhr
Die Schutzkompanie und die vorläufigen Ermittler marschieren aus dem Feldlager Kundus, Richtung Ort des Geschehens.
4. September 2009, 12.24 Uhr
Abflug eines Ermittler-Teams aus Mazar-e Sharif.
4. September 2009, 12.34 Uhr
Schutzkompanie kommt am Ort des
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