Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
auf, dass keine Leichen gefunden wurden, denn gerade dieser Punkt spielte in den deutschen Medien ja von Anfang an die größte Rolle.
Am 4. September 2009 um 10.21 Uhr hat das Bundesministerium der Verteidigung das erste Mal einen Fragenkatalog zu dem Vorfall an das Einsatzführungskommando gesendet. Zumindest entbehrt also die Behauptung, dass das Verteidigungsministerium am Ende des 4. September 2009 nichts Detailliertes über den Zwischenfall erfahren habe, jeder Grundlage. Daraufhin hat der Kommandeur des 20. Deutschen Einsatzkontingentes ISAF den Fragenkatalog mit Antworten versehen und am selben Tag an den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos zurückgesandt. Gleich zu Anfang dieses Dokuments findet sich ein Satz, der die Einschätzung nicht abwegig erscheinen lässt, dass sowohl im Führungsbereich des 20. Deutschen Einsatzkontingentes ISAF als auch im Einsatzführungskommando Personen das Sagen haben, die versuchen, Informationen gegenüber den politisch Zuständigen zu unterschlagen: »Nach jetzigem Stand wird eine Weitergabe an den Einsatzführungsstab nicht empfohlen .« (Auch dieses wichtige Dokument findet der Leser im Anhang abgedruckt.)
Zum genaueren Verständnis: Bei dem genannten Einsatzführungsstab handelt es sich um eine Abteilung des Bundesministeriums der Verteidigung, also um ein politisches Gremium. Bei der Führung des 20. Deutschen Einsatzkontingentes ISAF haben wir es aber mit militärischen Führungsstrukturen zu tun. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Warum gibt das Militär intern direkte Anweisung, der Politik Informationen vorzuenthalten? Hat der Vertrauensverlust gegenüber der Politik bereits solche Dimensionen angenommen? Will das Militär drohende öffentliche Untersuchungen bereits im Vorfeld unterbinden? Könnte es vielleicht sogar Absprachen zwischen hohen Militärs geben, dass man sich stets erst intern berät, bevor man der Politik Meldung macht?
Möglicherweise waren die militärisch Verantwortlichen einfach nur überfordert, da es sich beim Tanklasterbombardement um einen Zwischenfall handelte, der in der Geschichte der Bundeswehr zum damaligen Zeitpunkt einzigartig war. Möglicherweise ist das Vorgehen, dass vonseiten des Militärs ungenügend informiert wird, aber auch schon seit Jahrzehnten gängige Praxis. Entschuldbar ist es jedoch keinesfalls, dass ein Instrument der Politik – und nichts anderes ist die Bundeswehr – selbst entscheidet, wann und worüber und in welchem Umfang der Minister, die Regierung, das Parlament, die Kontrollausschüsse und die Öffentlichkeit informiert werden. Sollte so ein Vorgehen Praxis sein, ist das, was viele befürchten, Realität geworden: Es hat sich ein Staat im Staate gebildet – mit der Folge, dass um eigener Vorteile willen Regierung und Öffentlichkeit hintergangen werden. Bestünde auch nur der geringste Anlass zu einer derartigen Befürchtung, so wäre dies die größte Bedrohung für unser Staatswesen, seitdem es existiert. Zurück zum Schreiben aus dem Verteidigungsministerium. Darin wird die Führung des 20. Deutschen Einsatzkontingentes um kurzfristige Beantwortung der folgenden Fragen zum Bombenabwurf gebeten (Einlassungen des Autors ab hier wieder kursiv ).
Wann, wie, in welcher Form und mit welchem Inhalt wurde das Feldlager Kundus über die Entführung der Tanklastwagen informiert? Wie erfolgte die Entführung?
Circa gegen 21.00 Uhr wurde durch Informanten von afghanischer Seite telefonisch informiert, dass die Tanklaster entführt wurden. Zum Ablauf der Entführung liegen derzeit aber keine Informationen vor.
Welche Maßnahmen wurden daraufhin durch das Feldlager Kundus eingeleitet?
Der zuvor schon beschriebene Soldat überwachte mit einem Luftaufklärungsmittel den Kundus-River.
Welche eigenen Kräfte haben zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort die Tanklastwagen und die INS erstmals aufgeklärt? Welche Kräfte standen im Feldlager Kundus aufgrund der Teilnahme von eigenen Kräften an einer anderen Operation noch zur Verfügung?
Ausschließlich der Soldat, der das Luftaufklärungsmittel bediente. Ein Informant (ein Afghane) war aber ständig am Ort des Geschehens. Der Informant war in der Nähe des Geschehens ohne Blickverbindung, stand jedoch telefonisch in Verbindung mit den INS . Die telefonischen Meldungen des Informanten an die Operationszentrale im Feldlager Kundus konnten aber zu hundert Prozent durch Luftfahrzeuge, die zur Aufklärung eingesetzt wurden, bestätigt werden. Da die dem
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