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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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schlimmer sind der Verlust der Gesundheit, auch der psychischen, und das Weiterleben mit einer soldatenspezifischen Berufskrankheit, deren Fachbegriff lautet:
    Posttraumatische Belastungsstörung – PTBS .
    Andere Armeen der Welt müssen schon seit Jahrzehnten mit dieser Erkrankung umgehen, da sie sich länger als die Bundeswehr im Krieg befinden. Und in einem Krieg erleben Menschen Dinge, die so entsetzlich sind, dass keiner sie unbeschädigt übersteht. Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Dinge, die für die Bevölkerung eines Landes, auf dessen Territorium keine Kämpfe stattfinden, schlicht unbegreiflich sind. Soldaten in einer Kriegssituation werden jedoch mit ziemlicher Sicherheit Zeuge von Gräueln, die man sein Leben lang nicht vergisst und auch nicht vergessen kann. Ich erspare es mir – und dem Leser –, hier Beispiele anzuführen, denn den verabscheuungswürdigen Voyeurismus, welche Grausamkeiten sich Menschen gegenseitig antun können, befriedigen Computerkriegsspiele bereits im Übermaß – und das sind lediglich Fiktionen, keine realen Erlebnisse, die direkt neben einem stattfinden. Wenn solche Erfahrungen zu einer Belastungsstörung geführt haben, dauert die Behandlung oft ein Leben lang. Viele sind in den Tod gegangen, weil sie, aus der Bahn geworfen, nicht mehr mit dem Leben klarkamen. Zuvor hatten diese Menschen oft alles verloren oder auch alles das nicht mehr als erstrebenswert empfunden, was einem psychisch Gesunden wichtig ist und ihm Halt gibt: die Freunde, den Arbeitsplatz, die familiären Beziehungen. Ihr Wesen hat sich durch diese Krankheit von Grund auf verändert, ihnen nahestehenden Menschen gelang es nicht mehr, zu ihnen »durchzudringen«. Hier zeigt sich uns ein schreckliches Bild aller kriegerischen Einsätze. Der Wehrbeauftragte bemerkt dazu: »Die Anzahl der an PTBS erkrankten Soldatinnen und Soldaten hat sich seit Beginn der Auslandseinsätze der Bundeswehr kontinuierlich erhöht. 2009 sind insgesamt 466 Soldatinnen und Soldaten mit der Diagnose PTBS behandelt worden, damit hat sich die Anzahl der PTBS -Erkrankten gegenüber 2008 in 245 Fällen nochmals deutlich fast verdoppelt. Fast neunzig Prozent der PTBS -Fälle (418) entfallen auf Soldaten des ISAF -Kontingentes. Für den Anstieg gibt es zwei wesentliche Gründe: Zum einen die erhöhte Zahl der Soldaten im Einsatz, zum anderen die Zunahme der Einsatzintensität und die kriegsähnlichen Verhältnisse in Afghanistan, insbesondere im Raum Kundus. Nach wie vor ungeklärt ist die Dunkelziffer psychisch erkrankter Soldaten, da die Betroffenen aus Angst vor persönlichen Nachteilen sich nicht offenbaren.«
    Meist zeigt sich eine solche Belastungsstörung nicht sofort nach den Ereignissen, die sie auslösen. Die Krankheit kommt schleichend, sie macht aus früher besonnenen und ruhigen Charakteren aggressive, von extremen Stimmungsschwankungen hin und her geworfene Persönlichkeiten, die sich unverstanden fühlen, die nicht selten dem Alkohol, Tabletten und anderen Drogen verfallen, denen häusliche Gewalt nichts Fremdes mehr ist – und die durch all diese neuen Wesenszüge, die meist erst nach dem Einsatzende zutage treten, vereinsamen und zu Einzelgängern werden. Bedingt durch diese Wesensveränderungen sind die Kranken auch für die Bundeswehr nicht länger tragbar, und obwohl sie in den meisten Fällen den Dienst nicht freiwillig quittieren, scheuen sie sich doch, Hilfe therapeutischer oder finanzieller Art in Anspruch zu nehmen. Und das hat einen nicht von der Hand zu weisenden Grund: Sie fürchten einen Eintrag in ihre Personalakte, der ihnen auf alle Fälle eine Zukunft bei der Bundeswehr verbauen, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber auch im zivilen Leben zu diversen Nachteilen führen würde. Also verstecken sie die Symptome ihrer Krankheit und nehmen sich auf eigene Kosten einen Psychologen, der von den Gegebenheiten eines Krieges und von den Besonderheiten dieser Krankheit verständlicherweise keine Ahnung hat. Er wird ihnen nicht wirklich helfen können. Helfen müsste, auch aufgrund der gesetzlich festgeschriebenen Fürsorgepflicht, die Bundeswehr, denn zweifellos stand der Auslöser der Krankheit in direktem Zusammenhang mit der Tätigkeit im Einsatzgebiet. Außerdem sollte man annehmen, dass bei fast 500 erkannten Erkrankungen innerhalb der Bundeswehr medizinisch-psychologische Spezialisten zur Verfügung stehen, die für solche Krankheitsbilder ausgebildet wurden. Dass dies nicht der Fall ist,

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