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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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auf den ersten Blick nicht besonders bedeutend erscheinen, doch spätestens dann, wenn man sich die Konsequenzen überlegt, wird klar, zu welch großem Problem sich jeder Mangel unter den Bedingungen einer Gefechtssituation auswächst. Die
    ungenügende Sprachkompetenz
    bei der Bundeswehr ist ein solches Ausbildungsdefizit, das erst beim zweiten Blick seine erschreckenden Folgen offenbart. Spätestens seit dem Afghanistaneinsatz wird der politischen und militärischen Führung der Bundeswehr klar, dass sich Deutschland auf einen internationalen Kriegsschauplatz begeben hat. International bedeutet im Fall Afghanistan: Deutsche Soldaten sind am Einsatzort mit verschiedenen Ethnien, verschiedenen Religionen, verschiedenen Rechtssystemen und vor allem verschiedenen Sprachen konfrontiert. Zwar sind in all diesen Bereichen enorme Probleme zwischen Einheimischen und Deutschen die Folge, doch hier soll es erst einmal nur um das Problem der unterschiedlichen Sprachen gehen.
    Ist es schon während eines Friedensdienstes im Auslandseinsatz oder bei gemeinsamen Manövern innerhalb der NATO wesentlich, eine gemeinsame Sprache zu sprechen, so ist im Falle eines Kampfeinsatzes diese Fähigkeit unabdingbar. Da nicht nur in der Zivilgesellschaft, sondern auch beim Militär die englische Sprache zur lingua franca erhoben wurde und die meisten Partner Deutschlands diese auch sprechen und verstehen, ist die Beherrschung des Englischen für die militärischen Belange von zentraler Bedeutung. Zusätzlich wäre wünschenswert, dass die Soldaten zumindest Grundkenntnisse in jener Sprache erwerben – bevor sie in einen Einsatz geschickt werden –, die die Bevölkerung am Einsatzort mehrheitlich spricht.
    Die Sprachförderung ist bei der Bundeswehr folgendermaßen geregelt: Wer sich fort- oder ausbilden lassen möchte, muss zunächst einen Grundlagentest bestehen. In solchen jährlichen Tests‚ » SLP  – Sprachleistungsprofil« genannt, wird das Sprachvermögen von Berufs- und Zeitsoldaten überprüft, wenn sie bestimmte Ausbildungen zu durchlaufen beabsichtigen. Diese internationalen Lehrgänge wurden lange Zeit nur in englischer Sprache abgehalten, schon allein aus dem Grund, dass sie in den meisten Fällen von erfahrenen ausländischen Ausbildern geleitet wurden. Damit war die Beherrschung des Englischen für jeden Soldaten erstrebenswert, der in der Bundeswehrhierarchie weiterkommen wollte. Allerdings kostet eine Schulung in Englisch für jeden Soldaten, der daran teilnimmt, sehr viel Geld, ganz abgesehen von der Zeit, die er dann nicht für andere Tätigkeiten eingesetzt werden kann. Deswegen wurde so viel Wert darauf gelegt, durch permanente SLP s den aktuellen Kenntnisstand der Kursteilnehmer abzufragen, um sie dann in die richtigen weiterführenden Kurse schicken zu können. Hier liegt aber genau das Problem: Diese Sprachtests beurteilen die Beherrschung des sogenannten Oxfordenglisch, also einer festgelegten Norm, die sich von der tatsächlichen Alltagssprache und vom militärischen Spezialjargon in vielen Punkten unterscheidet. Englische Muttersprachler würden jedem Verwender des Oxfordenglisch, selbst wenn er ein Ausländer wäre, mit Skepsis und Distanz begegnen, da es sich um hochgestochenes Englisch handelt – nicht gerade förderlich für ein Gespräch in Soldatenkreisen. Auch andersherum wird die Reduktion auf das normierte Oxfordenglisch für manche Soldaten zum Stolperstein: Viele haben ihre Sprachkenntnisse gerade im praktischen Umgang mit Engländern und Amerikanern erworben und sprechen so ein zwar nicht perfektes, aber leidliches Umgangsenglisch. In den SLP s, deren Bestehen Grundlage für das Weiterkommen innerhalb der militärischen Hierarchie ist, fallen sie durch, weil dort nicht die Beherrschung des Umgangsenglisch, sondern des Oxfordenglisch abgefragt wird. Ein Teufelskreis. Einem Funker, beispielsweise, der vor diesem Hintergrund bei einem SLP durchfällt, wird nicht erlaubt, einen Kurs zu besuchen, der die englischen Spezialbegriffe zum Thema hat, die für die Koordinierung eines Luftschlages im internationalen Verbund benötigt werden. Er wird nicht einmal jenen Kurs besuchen können, der ihm die notwendigen Vokabeln beibringt, um Luftfahrzeuge ausländischer Partner beim Landeanflug einzuweisen. Kommt schließlich noch der Stress hinzu, der bei militärischen Aktionen immer dazugehört, und besagter Funker muss für seine Einheit einen internationalen Notruf absetzen, wird er selbst sein

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