Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -
beschreibt der Wehrbeauftragte beim Thema
Sanitätsdienst und Militärseelsorge .
»Von den zurzeit 38 besetzbaren Dienstposten Sanitätsstabsoffizier-Psychiater sind nur 22 besetzt. Die Personalengpässe haben bereits zur vorübergehenden Schließung einer Ambulanz und einer Bettenstation in den Abteilungen für Psychiatrie zweier Bundeswehrkrankenhäuser geführt. Im Afghanistaneinsatz steht für rund 4500 Soldaten gerade mal ein Psychiater zur Verfügung.«
Trotz einer sich jährlich verdoppelnden Zahl von Krankheitsfällen hat es die militärische Führung der Bundeswehr bis heute verabsäumt, medizinisches Fachpersonal in ausreichender Anzahl auszubilden und anzustellen, das den an PTBS erkrankten Soldaten helfen könnte. 4500 Soldaten in einem Kriegseinsatz teilen sich gerade mal einen Psychiater – ein Skandal der besonderen Art.
Zum Glück gibt es in der Bundeswehr die Militärseelsorger, die im Heimatland und im Einsatz immer wieder den Aufgabenbereich der Psychologen übernehmen. Sie tun dies freiwillig, und für ihre Arbeit kann man ihnen gar nicht oft genug Dank sagen – dennoch: Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass die Militärseelsorge den Lückenbüßer für unzureichende psychologische Betreuung der Soldaten machen muss. Die Regelung dieser Aufgabe obliegt der Führung der Bundeswehr, und bei Verstößen trifft auch allein sie eine Schuld.
Noch blamabler für die Militärführung wird bei diesem Thema jedoch ein Umstand, der sich einem erst erschließt, wenn man den Bericht des Wehrbeauftragten sehr genau liest: »Auf die Bedeutung der Militärseelsorge im Hinblick auf den Beistand und die seelsorgerische Begleitung und Betreuung der Soldatinnen und Soldaten insbesondere vor dem Hintergrund der Auslandseinsätze habe ich in meinen Jahresberichten regelmäßig hingewiesen. Ich kann dies an dieser Stelle nur noch einmal eindringlich unterstreichen. Bei meinen zahlreichen Gesprächen sowohl in den Einsatzgebieten als auch an den Inlandsstandorten bestätigen mir Soldatinnen und Soldaten unabhängig von ihrer konfessionellen Bindung immer wieder, wie wichtig und wertvoll ihnen der Beistand und die Gespräche mit Militärgeistlichen sind. In einer besonderen Verantwortung sind die Militärgeistlichen gerade deshalb von großer Bedeutung, weil sie das ›Innenleben‹ der Streitkräfte aus der seelsorgerischen Perspektive betrachten. Ihre Unabhängigkeit von der militärischen Befehlskette und die aus dem Status des Seelsorgers resultierende besondere Vertrauenswürdigkeit bilden für die Militärgeistlichen die Basis für ihre Arbeit in der Truppe.«
Sollte die Formulierung, dass sich Soldaten bei Problemen vorrangig an Personen wenden, die »unabhängig von der militärischen Befehlskette« agieren, nicht eine dringende Aufforderung an die Vorgesetzten in der Bundeswehr sein, sich einmal Gedanken über jenes Vertrauensverhältnis zu machen, das zwischen ihnen und den Soldaten herrscht – oder eben nicht herrscht?
Bei der
medizinischen Versorgung
sieht es kaum besser aus. Jährlich kündigt eine große Zahl von Ärzten ihren Dienst bei der Bundeswehr. Die hohe körperliche und seelische Belastung ist einer der Gründe, warum schon seit Jahren die zu vergebenden Dienstposten nicht alle besetzt werden können. Am schlimmsten zeigt sich der Mangel in den Einsatzländern, wie der Wehrbeauftragte deutlich macht: »Probleme gab es auch bei der Gestellung von Fachpersonal. So konnte in Kundus der Dienstposten des Truppenarztes über mehrere Monate mangels geeigneten Personals nicht besetzt werden, obwohl die Besetzung nach Einschätzung des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr zwingend geboten war. Die Tätigkeit musste in Zweitfunktion durch andere Ärzte wahrgenommen werden.« Nachzuvollziehen ist, dass gerade die Ärzte an den Einsatzorten hochgradig überlastet sind und deswegen den Dienst verlassen oder gar nicht erst antreten. Nicht nachzuvollziehen ist, dass diese Mängel bekannt sind und Soldaten damit rechnen müssen, selbst während eines Einsatzes nur mangelhaft medizinisch versorgt zu werden. In diesem Punkt eine ausreichende Fürsorge sicherzustellen, dazu bedürfte es keiner Geistesblitze: Experten müssen gut bezahlt werden, dann tun sie auch unter Belastung ihren Dienst. Mit einer Aufstockung der finanziellen Mittel könnten die medizinische und auch die psychologische Versorgung der Truppe innerhalb kürzester Frist spürbar verbessert werden. Wären nicht diese Mittel,
Weitere Kostenlose Bücher