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Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen -

Titel: Schwarzbuch Bundeswehr - Überfordert, demoralisiert, im Stich gelassen - Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Umgangsenglisch stressbedingt kaum anwenden können. Da er aber die normierten Formulierungen eines Notrufs in englischer Sprache nicht erlernen durfte, steht schnell nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Kameraden auf dem Spiel. Ein Paradebeispiel, welch fatale Konsequenzen Sparen am falschen Ende – also die reduzierte Förderung der Sprachausbildung – und ein Festhalten an alten Ausbildungsplänen – also die falsche Konzentration auf eine Kunstsprache wie das Oxfordenglisch – haben kann.
    Da stets das Leben die besten Geschichten schreibt, soll hier kurz eine Anekdote aus meiner eigenen Einsatzzeit in Afghanistan erzählt werden, die jene Tragik schildert, die in einer Kampfsituation aus ungenügender Sprachkenntnis entstehen kann, die aber zusätzlich (leider) einer gewissen Komik nicht entbehrt. In meiner Einheit war ich neben einem in den USA geborenen Kameraden 2004 der einzige Soldat, der Englisch sprach. Es oblag also stets mir, mit den Koalitionspartnern zu kommunizieren, wenn er nicht verfügbar war. Eines Tages geriet unsere Einheit in eine Notlage, die wir nur mithilfe von US -Streitkräften bereinigen konnten. Leider war in diesem Moment keiner von uns beiden verfügbar, und ein anderer Kamerad musste notgedrungen den Funkverkehr mit den Koalitionsstreitkräften aufrechterhalten. Die Lage eskalierte, und der Kamerad am Funkgerät konnte auf die Frage, worum es gehe, nur antworten: »Help me!« Als man ihn daraufhin fragte, wo denn Hilfe benötigt werde, kam die lapidare Erwiderung: »In the middle of Afghanistan.« Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir damals, als wir das erfuhren, zwar in Lachen ausbrachen, wie uns aber auch das Lachen im Halse steckenblieb, sobald wir an die Gefährlichkeit dieser Situation zurückdachten.
    Egal, in welchem Bereich – ob an der Waffe, bei der Führung von Menschen, beim Erlernen einer Sprache, beim Steuern eines Fahrzeugs oder beim Beherrschen des soldatischen Handwerks insgesamt –, Ausbildung muss sehr fordernd sein. Oft wird ihr Wert erst viel später klar, und man wundert sich, weshalb man gewisse Ausbildungsziele für weit hergeholt oder gar überflüssig halten konnte. Als ich während meiner Ausbildung mit Unterbrechungen etwa zwei Jahre lang im Gebirge ausgebildet wurde, fragte ich mich oft: Warum? Als ich immer wieder Häuser stürmen musste, fragte ich mich: Warum? Als ich eine Orientierungsübung nach der anderen machen musste: Warum? Und speziell, als ich körperliche Gewalt über mich ergehen lassen musste, die vor jedem Gericht ein für mich positives Urteil zur Folge gehabt hätte, fragte ich mich: Warum? Dann musste ich in Afghanistan über 5700 Meter hohe Berge erklimmen, wie ein Lastesel Gepäck über weite Distanzen schleppen, mich häufig in völlig unbekanntem Gelände zurechtfinden, Gebäude stürmen und Verhörsituationen bestehen, die mich noch heute nachts aus dem Schlaf reißen. Dies alles konnte ich nur durchhalten, weil ich eine hervorragende Ausbildung genossen hatte. Allerdings stellte sich mir dann die entscheidende Frage: Würde auch in der heutigen Zeit noch so viel Geld, so viel Sorgfalt und so viel Geduld in meine Ausbildung investiert werden, damit ich meinen Auftrag mit gewissen Erfolgsaussichten erfüllen kann? Und die Antwort war eindeutig, ernüchternd und erschreckend zugleich. Diese Form der Ausbildung gehört wohl dauerhaft der Vergangenheit an. Weder ist genug Geld dafür vorhanden, eine solche Ausbildung einer nennenswerten Anzahl von Soldaten zugutekommen zu lassen, noch existiert die Bereitschaft, den Bundeswehrhaushalt so auszugestalten, dass die nötige Zahl von Rekruten eine gute Ausbildung durchlaufen kann.
    Welche Alternative bleibt?
    Erstens: Es ist zwingend notwendig, das Ausbildungskonzept umzustellen und Soldaten erst nach tatsächlich bestandenen Prüfungen in einen Einsatz zu schicken.
    Zweitens: Es muss Schluss sein mit der Vorspiegelung der falschen Tatsache, die Bundeswehr sei einsatzfähig. Sie ist in Einsätze geschickt worden, was aber noch lange nicht bedeutet, dass sie dazu auch befähigt ist.
    Drittens: Gebraucht werden kleinere und strikt erfolgsorientiert ausgebildete Verbände. Die Professionalität einer Armee aus Bürgern in Uniform ist – erst recht im Kriegsfall – eine Illusion, die im Augenblick Soldaten während ihres Einsatzes das Leben kostet.
    Ein erster und richtiger Schritt in diese Richtung ist die sofortige Abschaffung der Wehrpflicht. Allerdings bedeutet

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